Eine zeitreise mit J. Mayer H., Januar 2025
Die Wettbewerbsauslobung lief 1993 unter dem Titel „Verwaltungsgebäude für das Baureferat der Landeshauptstadt München“. Erst später kam der Name „Technisches Rathaus“ auf. Horst Haffner, damaliger Baureferent und Jurymitglied, wollte definitiv keinen repräsentativen Büropalast, sondern ein transparentes, bürgernahes Verwaltungsgebäude – arrangiert mit einer öffentlichen Grünfläche. Demgegenüber stand die Programmforderung nach maximaler Geschossfläche (GFZ 2,75) – sich dabei ergebende überzählige Büros sollten anderen Nutzern zugutekommen.
Durch die Wahl des dreibündigen Grundrisstyps mit ca. 20 m Tiefe für die Bürotrakte gelang es uns, nahezu die gesamte Geschossfläche an den Blockrändern unterzubringen und einen großzügigen Freiraum in der Mitte zu schaffen. Dass bei gleicher GFZ in einer engmaschigen Überbauung mit zweibündigen Bürotrakten mehr (überzählige) Büros möglich gewesen wären, ist nur ein scheinbarer Nachteil unseres Entwurfs. Größer ist der Vorteil von besserer Arbeitsplatz- und Freiraumqualität sowie geringeren Bau- und Betriebskosten wegen des günstigeren A/V-Verhältnisses.
Der Mittelzone des Dreibunds haben wir bei der Planung große Aufmerksamkeit gewidmet, weil sie wesentlich für die Transparenz der Bürobereiche ist. Offen möblierte Teeküchen und Kopierräume, vertikal durchgehende glasüberdeckte Lichthöfe an den Treppenhäusern und teilverglaste Flurwände der Büros bringen Helligkeit und Durchblicke quer durch das Gebäude und über Stockwerke hinweg.
Diese Offenheit erforderte einerseits Überzeugungsarbeit im Betriebsrat und den Finanzgremien, andererseits Brandschutzmaßnahmen wie
die Rettungsbalkone an beiden Außenseiten (die aber gleichzeitig willkommener Schutz vor der Sommersonne sind).
Der weite begrünte Innenhof mit den niedrigen Einbauten (Kantine und Kindertagesstätte) ist eingebunden in das übergeordnete Fußwegenetz durch seine beiden Öffnungen – nach Südwest und Nordost. Diese bilden gleichzeitig die öffentlichen Zugänge von den wichtigen Nahverkehrsstationen am Ostbahnhof und an der Berg-am-Laim-Straße zu der auf den Innenhof orientierten Eingangshalle. Zusammen mit dem ca. 60 m hohen Büroturm ist hier der Schwerpunkt der Anlage. Die Position des Turms ist städtebaulich motiviert.
Im Preisgerichtsprotokoll wird der Turm als „zaghafter Akzent“ bezeichnet. Möglicherweise gab es in der Jury bereits Insider-Wissen. In der 1995 veröffentlichten Münchner Hochhausstudie wurde der stadtabgewandte Rand der Bahntrasse für eine Hochhausreihe prädestiniert. Inzwischen ist in dem benachbarten ehemaligen „Niemandsland“ dementsprechend hohe und massive Bebauung entstanden. Dieser hätte man aus heutiger Sicht gerne ein wuchtigeres Visavis gegenübergestellt.
Die unter den Zielvorstellungen „Nachhaltigkeit“ und „Werkstattcharakter“ erfolgten planerischen Entscheidungen zur Gestaltung, Materialwahl und Low-Tech-Ausstattung finde ich noch immer passend und nicht korrekturbedürftig.
Beispiele: Keine Klimatisierung in den Büros, lasierte Sichtbetondecken als thermische Speichermassen, Einbauschränke mit schallschluckender Oberfläche für die Raumakustik. Keine versetzbaren Bürotrennwände – Flexibilität durch einheitliche Größe aller Büroräume.
Wegen eines Leasing-Finanzierungsmodells kam bei laufender Planung ein Investor als Bauherr ins Spiel, womit wir einige Probleme hatten. Dennoch blieb der Umgang mit der städtischen Projektsteuerung konstruktiv, unser Auftrag wurde durch Einrichtungs- und Belegungsplanung erweitert, und die abgerechneten Baukosten lagen ca. 4% unter der Prognose des externen Kostenplaners.
Rolf Ganzer, März 2025
Rolf Ganzer
1944 geboren in München
1969 Diplom TH (jetzt TU) München
seit 1973 selbstständig
ab 1979 Arbeitsgemeinschaften mit Gerhard Hajek und Helmut Unterholzner (vorwiegend Wettbewerbe und daraus resultierende Planungsaufträge)
1996 Berufung in den BDA
2010 Gründung GHU Architekten GmbH, München
seit 2016 Morschek & GHU Architekten GmbH, München
