Der schwergefasste Entschluss.
Ein Beethoven-Festspielhaus für Bonn

Eine Hommage an Beethoven sollte es werden, das neue Festspielhaus in Bonn. Dem Komponisten schreibt man einen äußerst schwierigen, starrköpfigen Charakter mit höchsten Ansprüchen zu. Gleiches könnte man auch dem Verfahren zum Wettbewerb des neuen Festspielhauses unterstellen. Geplant war ein architektonisch und akustisch hochkarätiges Konzerthaus mit Rheinblick und rund 1500 Sitzplätzen am nördlichen Rand der Bonner Innenstadt. Seit Langem unzufrieden mit der fast 50 Jahre alten Beethovenhalle (Architekt: Siegfried Wolske) träumten die kulturbeflissenen Kommunal-politiker davon, ihre Stadt mit einem neuen Haus zu einem „international angesehenen Kulturort“ zu erheben.


Die drei in Bonn beheimateten Unternehmen Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG und Postbank AG bekundeten im Frühjahr 2007 ihre Bereitschaft, das neue Beethoven-Festspielhaus zu finanzieren. Der Rat der Stadt Bonn stimmte dem Projekt Mitte Juni 2007 in einem Grundsatzbeschluss zu und hielt darin fest, dass das Festspielhaus neben der Beethovenhalle oder zumindest „in unmittelbarer Nähe“ errichtet werden sollte. Die Geldgeber starteten 2008 ein privatrechtlich ausgerichtetes Vergabeverfahren – keinen offenen Architektenwettbewerb, wie er bei öffentlichen Aufträgen üblich wäre (wa-id: 2010464). Geladen waren elf internationale Architekturbüros, für die neben dem Erhalt der Beethovenhalle, die seit 1990 unter Denkmalschutz steht, auch die Option des Abrisses eröffnet wurde. Damit wurden diei m Vorfeld vom Rat der Stadt erarbeiteten und beschlossenen „städtebaulichen Rahmenbedingungen“ ignoriert. Bevorzugt wurde der Abriss wie die vier favorisierten Entwürfe von Zaha Hadid, Hermann & Valentiny and Partners, Arata Isozaki und Richard Meier belegen, sahen sie doch alle einen Neubau anstelle der Beethovenhalle vor. Eine Debatte über den Bau des Festspielhauses begann, die schon bald mit dem Beethoven-Jubiläum und der Frage nach dem Erhalt des sanierungsbedürftigen Konzertgebäudes verknüpft wurde. Mitte Juni 2009 wurden die Büros von Zaha Hadid und Hermann & Valentiny als Sieger des Auswahlverfahrens bekannt gegeben. Aufgrund der exponierten Lage am Rhein sollte in Form eines unverwechselbaren Wahrzeichens ein neuer architektonischer und städtebaulicher Akzent geschaffen werden. Zaha Hadid schuf einen solitären Baukörper mit einer kristallin anmutenden, durchbrochenen Gebäudehülle, welche die zwei Säle mit dazwischen liegenden Foyers umschließt. Die Besucher gelangen durch ein markantes Portal am Rhein in eine gebäudeinterne, passagenartige Verbindung zwischen Park und Rheinufer. Hermann & Valentiny entwarfen ebenfalls einen zeichenhaften, wellenförmigen Baukörper mit großen Glasflächen und klarer Orientierung zum Rhein. Auch hier nimmt die expressive, durchbrochene Dachform beide Säle in sich auf. Zu einer Realisierung kam es dann jedoch nicht, denn im April 2010 teilte der damalige neue Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch nach Absprache mit den drei Sponsoren mit, dass das Projekt Festspielhaus vorerst nicht weiterverfolgt werden sollte. Dies wurde schließlich konkreter, als die Deutsche Telekom und die Deutsche Postbank noch im selben Jahr endgültig aus dem Projekt ausstiegen.

Beethoven Festspielhaus Bonn 2009 | © Zaha Hadid Architects


Doch der Rat der Stadt Bonn nahm 2011 einen erneuten Anlauf für die Umsetzung des Festspielhauses und stellte 2014 schließlich ein baureifes Grundstück neben der alten Beethovenhalle zur Verfügung. Im dazu durchgeführten, von der Deutschen Postfinanzierten, zweiten, ebenfalls nicht offenen Wettbewerb wurde nun ein Neubau neben der Halle anvisiert (wa-id: 2013700) – ein schwer gefasster Entschluss. Die Entwürfe der drei Finalisten David Chipperfield Architects, kadawittfeldarchitektur und erneut Valentiny hvp architects zeigen deutlich, dass der Umgang mit dem denkmalgeschützten Bestand aus Halle und Park völlig unterschiedliche und architektonisch wie städtebaulich deutlich differenzierte Ideen hervorbrachte.
Valentiny hatte seinen Entwurf aus dem ersten Verfahren in seinen Grundzügen erhalten und weiterentwickelt. Das wellenförmige Dach zeigt sich nun aufgefächert und die rheinseitige Glasfassade wurde zu einer großen Fläche zusammengezogen. kadawittfeldarchitektur entwarfen einen Baukörper, der Assoziationen zum Resonanzkörper eines Musikinstrumentes weckt und als Teil der Landschaft der Halle ihre Position belässt und dennoch seinen eigenständigen Ausdruck entwickelt. Chipperfield zeigt einen eher „poetischen Ansatz“, umgesetzt in Form von vier gestapelten, kubischen Baukörpern mit vertikal gegliederten kolonnadenartigen Fassaden, die einen deutlichen Gegenpol zur organischen Architektur der Halle bilden. Doch auch von diesen Entwürfen wurde keiner realisiert. Nachdem der letzte Förderer, die Deutsche Post, noch im Jahr des Wettbewerbs aus dem Projekt ausstieg, galt es endgültig als beendet.

Beethoven Festspielhaus Bonn 2015 | © David Chipperfield Architects


Die Geschichte zum Bau des Festspielhauses erwies sich als langwierig und zäh, geprägt von zahlreichen Richtungsänderungen. Zunächst der geplante Abriss eines Denkmals und dann doch der Entschluss zum sensiblen Umgang mit dem Bestand – die Debatte um den Erhalt der Beethovenhalle hat vieles in Frage gestellt. Beethoven hätte es im Schlusssatz seines 16. Streichquartetts F-Dur op. 135 mit dem Titel „Der schwer gefasste Entschluss“ nicht besser sagen können: „Muss es sein? Es muss sein! Es muss sein!“ Und auch wenn der Entschluss zum Erhalt vielleicht schwer gefasst wurde, richtig war er doch.

Alexandra Apfelbaum

© Alexandra Apfelbaum

Alexandra Apfelbaum

Richard Scoffier ist Architekt und unterrichtet an der französischen Elite-Universität École Nationale Supérieure d’Architecture in Paris-Val de Seine.
Er veröffentlicht regelmäßig Artikel in den französischen Zeitschriften D’A und Archiscopie.
Außerdem gibt er im Rahmen der von ihm gegründeten Université Populaire jedes Jahr Kurse im Pavillon de l’Arsenal, dem Pariser Zentrum für Architektur und Städtebau.