Ist es der erste gewonnene, der nicht realisierte 1. Preis oder der überhaupt wichtigste Wettbewerb für das Büro, über welchen man berichten will? Mit dieser Fragestellung starteten wir den Diskurs über einen möglichen Beitrag für eine Zeitreise in die Vergangenheit.

Mitunter kennt der eine oder andere ja das Gefühl, das einen erschleicht, falls man eine Notiz in seinen Kalender eingetragen hatte oder falls man von einem eifrigen Mitarbeiter darauf hingewiesen wird, dass heute die Juryentscheidung für einen Wettbewerb stattfindet: man geht so gut es geht seinen Alltagsgeschäften nach und immer wieder zuckt es dann doch im Gehirn, welches einem in einer kurzen Bildschleife die abgegebene Arbeit ins Gedächtnis ruft. Eine weitere emotionale Steigerung bildet dann der Anruf, bei dem es sich um eine nicht bekannte Nummer in Kombination mit einer Uhrzeit handelt, bei welcher davon auszugehen ist, dass eine Entscheidung über das Verfahren gefallen sein könnte.  In diesem Zeitraum befindet sich der Architekt noch in einem aufregenden Gefühlszustand des Konjunktivs, nicht Realen aber durchaus Möglichen.

Entwurf  ATELIER 30 Architekten, Kassel | @ ATELIER 30 Architekten

Doch was passiert, wenn der erlösende Anruf ausbleibt? Wie bei Seeunglücken sinkt dann die Hoffnung auf Überlebende eines Wettbewerbserfolges stündlich bis zu einem Zeitpunkt, an dem man der Realität ins Auge sehen muss, und der Entwurf im wohlgeordneten Ablagesystem der Festplatte seinen Untergang findet.
Eine dieser hervorragend verlorenen Arbeiten handelte um die Deutsche Schule der Borromäerinnen in Alexandria aus dem Jahr 2015. Bereits Aufgabenstellung und Ort klangen verheißungsvoll: Im Osten Alexandrias befand sich das polygonale Grundstück in der Nähe eines Seitenarmes des Nils. Auf diesem sollte die Deutsche Schule der Borromäerinnen als Mädchenschule für Schülerinnen unterschiedlicher Konfessionen geplant werden. Zur Schule gehörten auch ein Kindergarten, eine Sporthalle und eine kleine Kapelle. Weitere ergänzende Nutzungen wie ein Schwimmbad und ein Kongregationshaus mit Gästezimmern sollten als Ideenteil in die planerische Betrachtung des Gesamtkonzeptes mit einbezogen werden. Im südlichen Teil des Grundstückes grenzte in direkter Nachbarschaft eine Fläche für die künftige Akademie von Alexandria (Modern Science) an. In dem heterogenen Umfeld des Baugrundstückes befanden sich zwei mit Mauern gefasste bestehende ägyptische Privatschulen und eine clusterartige Siedlungsstruktur. Nach unterschiedlichen Konzeptvarianten fiel unsere Entscheidung auf ein Gebäude-
ensemble, welches sich aus richtungslosen Baukörpern mit hell geschlämmten Ziegeln zusammensetzte. Das Zentrum der Schule bildet eine zentrale Pausenfläche mit einem Johannisbrotbaum und einer Kapelle, welche von den einzelnen Gebäuden und einer schattenspendenden Pergola gefasst wurde. Hin zur geforderten Einfriedung reagierte die Struktur flexibel und war von einem Palmenhain gefasst.


Ungeachtet einer fairen Beurteilung der Preisträger durch eine Fachjury gibt es Arbeiten, an die man sich gerne erinnert, da sie in besonderer Art und Weise die Aufgabenstellung interpretierten, auf den Ort reagierten und mit Leidenschaft und Liebe bearbeitet wurden. Arbeiten, dessen zurückgesandte Modelle immer wieder mal bei Architekturdebatten aus dem Büroregal gezogen werden und man sich über deren Anblick freut.

Aber was solls. – So ist halt das Geschäft mit den Wettbewerben. Es freut uns jedenfalls, die Arbeit kurzfristig aus den Untiefen der Festplatte für diesen Beitrag geborgen zu haben, und wir wünschen den Gewinnern viel Erfolg bei der Umsetzung des Projektes!

Thomas Fischer und Ole Creutzig im Juni 2023

von links nach rechts: Marco Schüler, Thomas Fischer, Ole Creutzig | © ATELIER 30 Architekten

ATELIER 30 Architekten

Ole Creutzig *1969 in Haunstetten
· 2008 – 2015 Vorstandmitglied Stiftung „7000 Eichen“ zur Kunstförderung in Kassel
· Seit 2000 Bürogründung ATELIER 30 Architekten
· 1990 – 1997 Universität Kassel - Studium der Architektur
· 1988 – 1990 ILS Hamburg - Studium der Innenarchitektur


Thomas Fischer *1967 in Marktredwitz
· 2010 – 2013 Lehrbeauftragter der Universität Kassel
· Seit 2000 Bürogründung ATELIER 30 Architekten
· 1999 – 2003 Europäische Urbanistik Bauhaus Universität Weimar  
· 1996 – 1998 Universität Kassel - Studium der Architektur
· 1995 – 1995 Rem Koolhaas Masterclass / Berlage Institut Amsterdam
· 1992 – 1994 Architekturstudium FH Bielefeld