Bedingt wettbewerbsbereit

Rote Linien – Ein Gastkommentar von Stefan Schopmeyer zum VgV-Verhandlungsverfahren Gesamtschule Südost, Münster
wa-2040085

Dass das Wettbewerbswesen – welchem sich viele Kolleginnen und Kollegen immer wieder mit ganzem Herzen widmen – unter Druck steht, wissen wir alle. Die Zahlen sprechen für sich.
Mit welch – zum Teil auch – perfiden Mitteln versucht wird, die Auslobung von Wettbewerben als Instrument der Vergabe von Planungsleistungen zu verhindern, zeigt sich am nachfolgenden Beispiel ziemlich drastisch:
In der Beschlussvorlage zur Durchführung eines Verhandlungsverfahrens für den Neubau einer Gesamtschule an den Rat der Stadt Münster berichten die Verfasser von ihrer in der VgV geforderten „Prüfung zur Durchführung eines Architekturwettbewerbs“, deren Ergebnis aus meiner Sicht nicht nur unseriös, sondern zudem unverschämt ist:

„Alternativ zum Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb wurde die Durchführung eines Architekturwettbewerbs geprüft.
Dieses Verfahren wäre insbesondere geeignet, um bei komplexen Planungsaufgaben alternative Ideen und optimierte Konzepte für die Lösung von Planungsaufgaben zu finden.
Wettbewerbe bieten sich an, wenn noch keine klare Vorstellung für die Realisierung besteht und der*die Auftraggeber*in nach Impulsen sucht. Nachteilig hierbei ist der begrenzte Einfluss auf die Baukosten.
Auch wenn in der Auslobung ein Budget angegeben werden kann, lässt sich in der Wettbewerbsphase nicht vermeiden, dass besonders kreative Ideen das Preisgericht überzeugen und dessen Vorschläge zur Kostenreduzierung auch im Rahmen einer Überarbeitung der Wettbewerbsbeiträge häufig nicht das gewünschte Ergebnis erbringen.
Ferner ist der zeitliche Aufwand deutlich höher als bei einer VgV-Vergabe.
Es muss zunächst das Wettbewerbsverfahren in seinen Teilschritten nach der Richtlinie für Planungswettbewerbe durchgeführt sowie das anschließende Verhandlungsverfahren abgeschlossen werden, bevor der Auftrag für die Objektplanung vergeben werden kann.
Im Rahmen dieses Verhandlungsverfahrens ist das bietende Unternehmen mit dem wirtschaftlichsten Angebot zu ermitteln. Maßgeblich hierfür sind die Zuschlagskriterien, die ebenfalls schon mit dem Planungswettbewerb bekannt gemacht werden.
Erst nach Abschluss dieses zweistufigen Verfahrens kann der Zuschlag erteilt werden.
Damit können auch die Fachplaner*innen erst zu einem späteren Zeitpunkt gefunden werden.
Diese zeitliche Verschiebung ist notwendig, weil andernfalls das Risiko besteht, Fachplanungsleistungen beauftragt zu haben, die nicht mit dem erfolgreichen Wettbewerbsbeitrag kompatibel sind.
Spätere Nachträge der Fachplaner*innen lassen sich nur verhindern, wenn die Ausschreibung bzw. Beauftragung der Fachplanungsleistungen auf der Grundlage des Siegerentwurfes erfolgt.
Das VgV-Verfahren bietet gegenüber dem Architekturwettbewerb somit folgende Vorteile und wird daher als zielführend erachtet:
1. Sicherstellung der gewünschten Qualitäten und Ergebnisse über entsprechend festgelegte und vorab definierte Kriterien.
2. Zeitlicher Vorteil, da Fachplaner frühzeitig in die Planung integriert werden können.
3. Höhere Wirtschaftlichkeit, da die Honorarzone tendenziell im Wettbewerb höher liegt als im VgV-Verfahren.
4. Keine Anonymität, da die Konzeptstudie im VgV-Verfahren, anders als im Architektenwettbewerb, nicht anonym erstellt wird.
Aus diesen Gründen bevorzugt die Verwaltung die Durchführung eines VgV-Verfahrens mit Teilnahmewettbewerb gegenüber einem Architekturwettbewerb.“

Damit ist eine „rote Linie“ überschritten.
Diese Situation sollen und können wir Architekten nicht mehr mit der uns eigenen vornehmen Zurückhaltung hinnehmen – es ist dringend geboten, tatkräftig Widerstand zu leisten gegen diejenigen, die mit solcher Absicht Böses im Schilde führen.
Nun sollten wir zuerst einmal versuchen, die zu benennen, die ein Interesse am Untergang unserer Planungskultur haben könnten:
Aufgrund der Diktion und der inhaltlichen Details ist nicht davon auszugehen, dass die o. a. „Prüfung“ und deren „Dokumentierung“ aus dem städtischen Amt für Schule und Weiterbildung stammen, sondern entweder von der Fachbehörde „Planen und Bauen“ oder möglicherweise aus der Feder externer juristischer Fachberatung.
Die einen wollen wahrscheinlich „geschmeidige“ Verfahren – ohne echte Transparenz und die eigentlich unverzichtbare Partizipation – die anderen wollen, so lässt sich befürchten, schlichtweg Geld verdienen.
Sollten sich diese Vermutungen erhärten, sollte uns allen spätestens jetzt klar werden, wo wir schleunigst ansetzen müssen.
Auf den inzwischen häufig veranstalteten Vergabetagen werden von den Vertretern der „Verhandlungs-Lobby“ häufig und immer wieder Angst und Schrecken vor Verfahrensfehlern und -rügen geschürt: Drastisch ausgedrückt könnte man sagen, dass dabei gelogen wird, dass sich die Balken biegen und den in mehrfacher Hinsicht und häufig überforderten und überlasteten Vergabestellen angesichts der aufgezeichneten Szenarien kaum eine Chance gelassen wird, sich aus diesem Sorgenstrudel zu befreien.
Dass in diesem Zusammenhang sämtliche ehrenhaften Aspekte der VgV – wie die Beteiligung von kleinen (und jungen) Büroeinheiten, angemessene Zulassungskriterien sowie die Möglichkeit der Eignungsleihe – achselzuckend vernachlässigt werden, versteht sich von selbst.
Am Ende der so akquirierten Verfahren fragt erstaunlicherweise kaum noch einer nach Dauer und Kosten der Verfahren, deren Länge und Höhe im Gegenzug regelmäßig den Vergaben über Wettbewerbe angelastet werden (wie wir alle wissen, zu Unrecht [und das ist sogar bundesministerial dokumentiert!]).
Selbstverständlich haben sich beim angeführten Beispiel die Münsteraner Berufsverbände und der Wettbewerbsausschuss der AKNW vehement zur Wehr gesetzt gegen diese öffentlich vorgetragene Diskreditierung des Wettbewerbswesens – bisher übrigens ohne nennenswerte Reaktion – aber das wird nicht reichen. Wenn wir unsere Herzensangelegenheit – und es ist keineswegs und nie nur Liebhaberei – des „Abenteuers der Ideen“ retten wollen, müssen wir in den Kampf ziehen, jeder Einzelne von uns, und zwar genau dort, wo er oder sie auch nur den Hauch einer Möglichkeit sieht.

Wenn wir unsere Herzensangelegenheit – und es ist keineswegs und nie nur Liebhaberei – des „Abenteuers der Ideen“ retten wollen, müssen wir in den Kampf ziehen, jeder Einzelne von uns, und zwar genau dort, wo er oder sie auch nur den Hauch einer Möglichkeit sieht.


Wir sollten, müssen wahrscheinlich, uns in dem Zusammenhang – wenn auch schweren Herzens – trauen, nahe heran zu gehen an unsere Seite der „roten Linie“ und mit allen legalen Mitteln der Wahrheit zu ihrem Recht verhelfen, z. B. mit Verfahrensrügen (dass dies erfolgreich ausgehen kann, zeigt das aktuelle Urteil des OLG Rostock zum geplanten Bau von Feuerwehrgerätehäusern in Mecklenburg-Vorpommern [OLG Rostock, Beschluss vom 10.01.2025, Az. 17 Verg 4/24, Abruf-Nr. 248728]). Es kann sich also durchaus
lohnen.
Wir müssen uns aber möglicherweise darüber hinaus professioneller – ggf. mit externer Expertise – aufstellen gegen einen hochgerüsteten Gegner, der – woher auch immer er kommen mag – mit allen Wassern gewaschen ist und es uns weiter schwer machen will.
Ich schreibe diese kämpferischen Zeilen voller Überzeugung nach 30 Jahren Wettbewerbsbetreuung von weit über 200 geregelten Verfahren sowie 25 Jahren Wettbewerbsberatung für die AKNW, weil die Lage mehr als ernst ist: So dramatisch wie heute ist es nie zuvor gewesen und deswegen muss dringend etwas geschehen.

Ich schreibe diese kämpferischen Zeilen voller Überzeugung nach 30 Jahren Wettbewerbsbetreuung von weit über 200 geregelten Verfahren sowie 25 Jahren Wettbewerbsberatung für die AKNW, weil die Lage mehr als ernst ist: So dramatisch wie heute ist es nie zuvor gewesen und deswegen muss dringend etwas geschehen.

Ich schreibe diese kämpferischen Zeilen voller Überzeugung nach 30 Jahren Wettbewerbsbetreuung von weit über 200 geregelten Verfahren sowie 25 Jahren Wettbewerbsberatung für die AKNW, weil die Lage mehr als ernst ist: So dramatisch wie heute ist es nie zuvor gewesen und deswegen muss dringend etwas geschehen.

Münster, 21.07.25
Stefan Schopmeyer, Architekt BDA

Stefan Schopmeyer

Stefan Schopmeyer (* 1957)
1986 Diplom
1986 - 1989 Studium Kunstgeschichte + Volkskunde
seit 1986 Wettbewerbsteilnahmen
1988 – 1993 +
1996 – 1998 Lehrtätigkeiten Entwurf
1989 Bürogründung „Schopmeyer Architekten“
seit 1994 Wettbewerbsbetreuung (aktueller Zwischenstand: 212)
seit 2000 Sprecher Wettbewerbsbeirat AKNW Bezirk Münster
2019 – 2020 Lehrtätigkeit Wettbewerbswesen

Auszug Wettbewerbsbetreuungen
Diözesanbibliothek Münster (wa-2007063)
Ausstellungsgebäude LWL-Freilichtmuseum Detmold (wa-2023732)
Dom zu Münster (Bischofsgrablege + Ausleuchtung)
Finanzministerium NRW Düsseldorf (wa-2029193)
Dom zu Aachen (Ausleuchtung)
Landesverfassungsgerichtshof Münster (wa-2037381)
Campus Mathematik und Informatik WWU Münster (wa-2034849)

Diverse Schulbauten
Elsa-Brändström-Realschule Rheine (wa-2029497)
LWL-Förderschulen Bielefeld (wa-2033354)
Schulzentrum Dissen (wa-2038706)
Haus der Musik Telgte (wa-2034848)
Institutsgebäude Campus Haspel Uni Wuppertal (wa-2031652)

„Sowie viele kleine und mittlere Verfahren als ,Baukultur von unten‘, für die mein Herz insbesondere schlägt ...“