Unser erster Wettbewerbserfolg

Vor langer Zeit, in einer fernen Galaxie, waren Wettbewerbe für junge Architekt*innen ein Weg, an spektakuläre Aufträge zu kommen. Wir waren noch gar nicht Architekten, hatten noch nicht einmal das Diplom in der Tasche, als wir 1991 die Auslobung anforderten für den Wettbewerb zur Erweiterung des Kölner
Polizeipräsidiums. Vom Studium waren wir gelangweilt und wollten lieber schauen, wie weit wir wohl kommen könnten in der Konkurrenz mit gestandenen Büros. Unser Freund Dieter „Digger“ Comes war erst im fünften Semester, hatte aber wie wir genug überbordendes Selbstvertrauen, den Wettbewerb anzugehen.

Erweiterung Polizeipräsidium Köln | 3. Preis Otto Schulz, Witten

Die Aufgabe war typisch für die Wettbewerbe jener Zeit, in der man noch nicht europaweit ausschrieb und riesig hohe Zugangshürden für die Teilnahme aufbaute. Man musste nur seinen Bürositz in Nordrhein-Westfalen haben und per Post einen Verrechnungsscheck über 100 Deutsche Mark zum Auslober schicken, schon bekam man die Auslobung zugeschickt. Unserem Vater, der zwar als Architekt noch seinen Kammerstempel, aber kein Architekturbüro mehr hatte, haben wir nicht erzählt, dass wir in seinem Namen agierten – wozu sollten wir ihn unnötig nervös machen?
In der Folge machten wir das, was wir heute immer noch machen, wenn wir einen Wettbewerb beginnen. Wir analysierten Ort und Aufgabe und informierten uns über die Preisrichter. Komplizierter konnte es kaum sein: Am Kreuzungspunkt zweier stark befahrener Straßen sollte der denkmalwürdige Bestand aus den 1950er-Jahren halbwegs verträglich um rund 10.000 Quadratmeter Nutzfläche erweitert werden. Hoffnung machte uns die Besetzung des Preisgerichts, denn mit Fritz Eller, Godfrid Haberer und Joachim Schiel hatte man drei „alte Hasen“ ausgewählt, die wir als offen für ungewöhnliche Lösungen einschätzten.
Eller hatte wenige Jahre zuvor den aus Kreisformen bestehenden Landtag von Nordrhein-Westfalen (wa-2030586) fertiggestellt, Haberer zusammen mit Peter Busmann den kreisrunden Saal der Kölner Philharmonie, und die beiden Straßen entlang des Baufelds verliefen auffällig kreisbogenförmig. Die Erweiterung musste also rund werden! Nach langem Tüfteln entschieden wir uns für eine linsenförmige Form mit Innenhof, das „Auge des Gesetzes“ sozusagen. Die Pläne zeichneten wir betont schlampig mit flottem Strich im Maßstab 1:500 und kopierten sie hoch auf den Abgabemaßstab 1:200. Unser Beitrag sollte ja so aussehen wie aus einem großen Büro, das gerade zu viel Arbeit hatte und deshalb seinen genialen Wettbewerbsbeitrag nicht ordentlich ausarbeiten konnte.
Die anderen kamen leider auch darauf, dass es rund sein musste. Beim 4. Preis wurde die damals beliebte Kammstruktur um die Ecke gebogen. Der präzise Zylinder des Wuppertaler Büros Rocho, hinter dem womöglich auch ein paar Newcomer standen, wurde mit dem 2. Preis belohnt. Die „Schnecke“ der legendären Planungsgruppe Stieldorf verarbeitete das Bogenthema auf die lyrischste Art und Weise und gewann zu Recht. Wir waren überglücklich über den 3. Preis für unser „Auge des Gesetzes“.
Unser Vater, den wir kurz vor der Abgabe zum Unterzeichnen der Verfassererklärung überredeten, hat sich mitgefreut – auch weil niemand von ihm verlangte, den Entwurf realisieren zu müssen. Stattdessen konnte er entspannt mit Fritz Eller bei der Ausstellungseröffnung Mettbrötchen und Kölsch genießen.
Vom Preisgeld machten wir eine große Sause, denn wir waren ja ganz schön weit gekommen in der Konkurrenz mit 43 anderen Teilnehmer*innen. Digger investierte seinen Anteil am Preisgeld in ein Motorrad mit 100 PS Leistung, immerhin ein spektakuläres Gefährt anstelle eines spektakulären Auftrags. Die Erweiterung wurde übrigens nicht realisiert. Anstelle der schönen Gebäude aus der Nachkriegszeit stehen heute dort zwei Hotels und ein paar Wohnbauten. Es macht nicht den Eindruck, als könnten sie das Ergebnis eines offenen Wettbewerbs sein.


Ansgar und Benedikt Schulz im Oktober 2022


Ansgar und Benedikt Schulz | © Jasmin Schuller

Ansgar Schulz


* 1966 in Witten/Ruhr
· 1985 bis 1992 Studium der Architektur an der RWTH Aachen und der ESTA de Madrid
· Seit 1990 Mitglied bei Schalke 04
· 1992 Gründung des Büros Schulz und Schulz mit seinem Bruder in Leipzig
· 2002 Berufung in den BDA, 2015 in den DWB, in den Konvent der Bundesstiftung Baukultur 2010, 2016, 2018 und 2022,
seit 2016 Mitglied im wiss. Beirat des Dt. Institut für Stadtbaukunst
· Nach Professuren an der TU Karlsruhe und der TU Dortmund seit 2018 Professor für Entwerfen und Konstruieren an der TU Dresden

Benedikt Schulz


* 1968 in Witten/Ruhr
· 1988 bis 1994 Studium der Architektur an der RWTH Aachen und der UC de Asunción/Paraguay
· Seit 1990 Mitglied bei Schalke 04
· 1992 Gründung des Büros Schulz und Schulz mit seinem Bruder in Leipzig
· 2002 Berufung in den BDA, 2010 an die Sächsische Akademie der Künste, 2015 in den DWB,
seit 2016 Mitglied im wiss. Beirat des Dt. Institut für Stadtbaukunst
· von 2010 bis 2018 Professor an der TU Dortmund, seit 2018 Professor für Entwerfen und Konstruieren an der TU Dresden