Eine zeitreise mit Steimle Architekten, Stuttgart
Erweiterungsbau B auf dem Gelände der Stadtwerke Tübingen
Der Schritt in die Selbstständigkeit ist eine Sache, die Frage des Bestehens, der Kontinuität und des Wachstums eine andere. Jedes Büro schreibt hier wohl seine ganz eigene Geschichte. Für manche ist es der Paukenschlag mit dem unverhofften Wettbewerbsgewinn für eine große Bauaufgabe. Andere starten mit kleineren Aufträgen und wachsen Zug um Zug mit ihren Projekten.
Was war ausschlaggebend für unseren Weg? Wahrscheinlich von beidem etwas. Dem ersten privaten und individuell entworfenen Wohnhaus folgen weitere Anfragen und Aufträge privater Bauherren, die gerne individuell und speziell auf sie zugeschnitten wohnen möchten. Im Grunde genommen eine gute Situation, um als kleines Büro erfolgreich bestehen zu können. Es sollte aber anders kommen.
Die Stadtwerke Tübingen lobten Ende 2013 einen offenen Wettbewerb für den Erweiterungsneubau B auf dem Gelände der Stadtwerke aus. Ein Verwaltungsgebäude in angemessener Größe und zudem in gut erreichbarer Nähe vom Stuttgarter Marktplatz aus wartete darauf, entworfen zu werden! Im Februar 2014 war unser Entwurf einer von insgesamt 72 Wettbewerbsbeiträgen, der das Preisgericht überzeugen sollte. Hätte es zu diesem Zeitpunkt schon unseren aus lilafarbenem Styrodur geschnitzten Wettbewerbswürfel gegeben, hätte uns dieser mit dem Glückswurf nicht belogen. Alle sechs Würfelseiten waren aus einem hohen Selbstbewusstsein junger Architekt*innen heraus mit nur jeweils einer „1“ beschriftet.
Unser Entwurf eines sechsgeschossigen würfelförmigen Kubus‘ aus Backstein konnte überzeugen und nahm somit die erste Hürde. Von den Faktoren, die sich in einem Wettbewerbsverfahren als Teilnehmer überhaupt nicht beeinflussen lassen gar nicht zu sprechen, sind es wie immer die richtigen oder falschen Entscheidungen während der Bearbeitungszeit, die den Ausgang des Ganzen beeinflussen können. Bis kurz vor Abgabe wurden noch zwei Gebäudekonzepte verfolgt – ein Riegel oder ein Würfel. Beides hätte funktioniert, beide Ansätze waren tragfähig. Das Offenhalten der Möglichkeiten, Hadern, Abwägen, Diskutieren und Neudenken zieht sich doch oft gerne bis
in beunruhigende Nähe des Abgabetermins. Mit Verlass auf die eigene Intuition und Entscheidungsfähigkeit kommt aber der Tag, an dem man genau weiß, dass es der Kubus auf quadratischem Grundriss sein muss. Der Knoten war geplatzt und es ging ins Finish. Die Dinge fügten sich, und es wurde ein Wettbewerbsentwurf
eingereicht, hinter dem wir zu hundert Prozent stehen konnten.
Was vielen außerhalb der Architektenschaft nicht immer so ganz bewusst ist: Ein Wettbewerbsgewinn ist nicht automatisch auch der Garant für eine Beauftragung. Rückblickend hat uns das Wettbewerbswesen diese Erfahrung bereits im positiven als auch negativen Sinne beschert.
Für das Vergabeverhandlungsverfahren bei den Stadtwerken galt es sich daher richtig aufzustellen, um in der nächsten Phase zu punkten. Die obligatorische Frage des Auftraggebers war vorprogrammiert: „Hat Ihr Büro denn schon einmal ein vergleichbares Projekt in ähnlicher Größe realisiert?“ - „...?“ In der Vorbereitung des Termins lag die Konzentration auf der Sicherstellung des Vertrauensgewinns. Gut vorbereitet, aber auch mit ausreichend Anspannung in ständiger Abwägung eines Best-Worst-Case-Szenarios fuhr das aufgestellte Projektteam zu den Stadtwerken nach Tübingen. Unsere Sorge stellte sich zwar nicht als völlig unbegründet heraus, dennoch signalisierten die Auslober und Bauherren, dass es daran wohl kaum scheitern wird, und dieser Punkt erhielt mit einem guten Vertrauensvorschuss ein Häkchen in der Bewertungsliste der Jury.
Mit der Zuschlagserteilung konnte das entge-gengebrachte Vertrauen unter Beweis gestellt werden. Wenig später erfolgte eine zusätzliche Beauftragung für die Sanierung des Kundenzentrums der Stadtwerke im Erdgeschoss des bestehenden Hauptgebäudes aus den 1980er Jahren.
Der Wettbewerbsgewinn und das daraus resultierende Projekt des Bürogebäudes der Stadtwerke bzw. der SWS Tübingen brachte für uns ein Stück weit den Stein ins Rollen. Von der Wettbewerbseuphorie gepackt und auch vom Losglück beseelt waren wir nun Mitspieler im Ringen um nachfolgende interessante öffentliche und auch private Bauaufgaben.
Steimle Architekten, Dezember 2023
Steimle Architekten, Stuttgart
Christine Steimle
Seit 2014 führt Christine Steimle gemeinsam mit Thomas Steimle das Büro Steimle Architekten GmbH. Zuvor arbeitete sie seit 2000 im Stuttgarter Büro wulf architekten mit. Von 2007 bis 2016 lehrte sie an der Universität Stuttgart am IRGE bei Professor Markus Allmann. Christine Steimle ist seit 2011 als Preisrichterin bei Architekturwettbewerben und Auszeichnungsverfahren tätig.
Thomas Steimle
Thomas Steimle gründet 2009 sein eigenes Architekturbüro in Stuttgart, das seit 2011 als Steimle Architekten GmbH firmiert. 2009 bis 2022 war er Lehrbeauftragter für Baukonstruktion und Entwerfen an der HFT Stuttgart. 2013 wurde Thomas Steimle in den Bund Deutscher Architekten (BDA) berufen.
Für den Landesverband des BDA Baden-Württemberg war er von 2014 bis 2023 im Vorstand tätig. Seit 2017 ist er Mitglied im Landesbeirat Baukultur Baden-Württemberg.