Die Maria-Magdalena-Kirche in Freiburg (wa-2002938) entstand aus einem zweistufigen Wettbewerb im Jahr 1999. Eine größere katholische und eine kleinere evangelische Kirche sollten nebeneinander gebaut werden und bei Bedarf miteinander zu verbinden sein. Das Baufeld im Nordwesten Freiburgs erschien uns als so groß, dass zwei kleine Kirchen unterschiedlicher Dimension in unseren Augen verloren gewirkt hätten. So entstand die Idee, die beiden Kirchen und alle anderen Programmflächen in einem einzigen Gesamtvolumen zusammenzufassen. Verbunden nicht durch eine Brücke, sondern durch eine hohe Halle. Alvar Aaltos Kirche in Vuoksenniska, 1958, stand uns als Referenz vor Augen.

Foto: wa wettbewerbe aktuell


Das Leitmotiv für den Entwurf lautet: Zwei Kirchen, Eine Kirche. Ähnlich einer asymmetrischen, dreischiffigen Kirche wird die Mittelhalle von zwei Seitenschiffen flankiert, die jeweils den Kern der katholischen und evangelischen Sakralbereiche enthalten. Mehr als acht Meter hohe verschiebliche Betonwände erlauben es, die Sakralräume zueinander zu öffnen. Diese lotrechten Innenwände verlaufen auf Bodenschienen, auf denen sie mittels Rollenlagern elektrisch verschoben werden. So ergibt sich der kirchliche Gesamtraum. Bei einer Außenwandhöhe von fast 14 Metern haben alle Wände innen- und außenseitig Sichtbetonqualität. Als gänzlich stützenfreies Bauwerk sind die Außenwände alternierend leicht nach innen und außen gekippt. Die Glockenstube ist ein offener Hohlraum, der in das Volumen eingesenkt ist.

1. Preis/Realisierung Kister Scheithauer Gross, Köln

1.Preis/Realisierung Kister Scheithauer Gross, Köln

Foto: Christian Richters


Häufig werden wir gefragt, wie die Gemeinden seit Erstellung die Sakralräume in der Praxis nutzten: Wie leben die beiden Gemeinden miteinander? Bei einer Rücksprache mit der Pfarrerin der Gemeinde erfuhr ich, der Normalzustand sei eine für alle offene Kirche. Nicht nur seien normalerweise alle Wände auseinander geschoben, auch sei die Kirche jeden Tag bis zum Einbruch der Dämmerung öffentlich zugänglich. Da vor der Kirche eine Bushaltestelle liegt, nutzen manche Besucher*innen die Kirche einfach nur, um in einem geborgenen Raum auf den Bus zu warten und dabei die Stille zu genießen.
Während der Pandemie konnten für Gottesdienste im Gesamtraum die flexiblen Stühle problemlos auseinander gerückt werden, um die notwendigen Abstände einzuhalten. Nach der Pandemie etablierte sich ein gemeinsames ökumenisches Konzept für Gottesdienste, für das die Kirchenwände geöffnet bleiben. Bei Bedarf können die Wände weiterhin geschlossen werden, um in beiden Kirchenräumen gleichzeitig Gottesdienste abzuhalten. In diesem Fall dient das Mittelschiff als akustischer Puffer. Die Besucher *innen der Gottesdienste hören dann wie aus weiter Ferne die andere Gemeinde singen. Wegen der Lautstärke einer Orgel hat man auf diese verzichtet und nutzt einen verschieblichen Konzertflügel.
Ein besonderes Ereignis im Jahr ist die Nacht der Konfirmand*innen, die traditionell im Oktober stattfindet. Dann wird die Kirche wie ein großes Haus mit mehreren Zimmern genutzt. Die Mittelhalle wird zum Ort des Miteinanders. Im evangelischen Kirchenraum nächtigen die Konfirmand*innen auf Liegematten. Im kleineren, evangelischen Raum feiert man gemeinsam den Gottesdienst. Und der größere katholische Teil wird zu einem Erfahrungsraum. Nachts nur von einer Vielzahl von Kerzen erleuchtet, hat dieser Raum dann eine große Festlichkeit.

Prof. Susanne Gross, Dezember 2024

ksg kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH, Köln/Leipzig/Berlin

Prof. Johannes Kister

Prof. Johannes Kister studierte Architektur an der RWTH Aachen, gründete 1992 das Büro Kister Scheithauer & Partner gemeinsam mit Reinhard Scheithauer. Mit dem Hinzukommen von Susanne Gross als dritte Partnerin heißt das Büro seit 1997 kister scheithauer gross (ksg).
Er unterrichtete 29 Jahre Architektur an der Hochschule Anhalt (FH) am Bauhaus Dessau und bearbeitet inhaltlich die Neuauflagen der Neufert Bauentwurfslehre.

Prof. Susanne Gross

Prof. Susanne Gross studierte Philosophie in Bonn, Architektur an der RWTH Aachen und ist Meisterschülerin mit Auszeichnung der Kunstakademie Düsseldorf.
Seit 1997 ist Susanne Gross Partnerin bei ksg. Seit 2004 hat sie die Professur für Entwerfen und Gebäudekunde an der Bergischen Universität Wuppertal inne.

Prof. Susanne Gross und Prof. Johannes Kister | Foto: Uli Grohs