Eine Zeitreise mit Trojan + Trojan
Städtebaulicher Wettbewerb Hamburg HafenCity, 1999
Bei dem bedeutenden Entwicklungsprojekt Hamburg HafenCity hatten wir das Glück, von Anfang an und über einen längeren Zeitraum in allen Maßstabsebenen als planende wie auch bauende Architekten mitwirken zu können. So waren wir freudig überrascht, als relativ kleines Büro zum illustren Teilnehmerfeld der acht Teams zu gehören, die zum konstituierenden Städtebauwettbewerb für die Umstrukturierung des aufgelassenen Freihafens zu einem gemischt genutzten maritimen Stadtteil eingeladen wurden. Ein Grund mag gewesen sein, dass wir unmittelbar vorher den internationalen Städtebauwettbewerb „Stuttgart 21“ gewonnen hatten, bei dem es ebenfalls um eine Konversion der infolge der geplanten Bahnhofstieferlegung aufgelassenen Bahnflächen zu einer neuen Stadtlandschaft ging.
Auftakt der umfangreichen Hamburger Planungsaufgabe war ein sorgfältig vorbereitetes mehrtägiges Kolloquium im Hafengebiet, mit Ortsbesichtigungen per Rad und per Boot, Einführung über Fach- und Sachvorträge, Kennenlernen der interdisziplinär besetzten Teams über Werkberichte und anschließenden Gesprächsaustausch. Interessant war dabei auch, auf Persönlichkeiten wie den uns bisher nur aus der Literatur bekannten venezianischen Bauhistoriker Leonardo Benevolo zu treffen.
Die im Kolloquium wiederholt bemühte Metapher „Venedig des Nordens“, wurde in gewisser Weise zum Leitbild unseres Entwurfs:
Eine in den Fluss gebaute Stadtinsel, deren Quartiere von Wasserläufen umgeben und gegliedert sind, in denen spezifische Raumsituationen und darauf antwortende besondere Bautypologien entstehen.
Unsere Entscheidung, die Wasserlandschaft durch zusätzliche Fleete zu erweitern und mit dem Umland zu verbinden, wurde im Preisgericht u.a. hinsichtlich befürchteter ökologischer Nachteile kontrovers diskutiert, führte zunächst zum Ausschluss unseres Entwurfs, um dann mit Hinweis auf besondere Raumangebote wieder in die engere Wahl genommen und mit einem Sonderankauf bedacht zu werden.
Mit einer klugen und für die anstehende Projektentwicklung offeneren Konzeptstrategie erhielt das Team um Kees Christiaanse/Astoc den ersten Preis und den Masterplanauftrag.
Städtebaulicher Wettbewerb Überseequartier-Magdeburger Hafen, 2003
2001 wurden mehrere Teilnehmer zu einem Workshop für die Konkretisierung der Bebauung auf dem Dalmannkai geladen, bei dem unser Vorschlag in den B-Planentwurf übernommen wurde.
Für die Neuordnung des Überseequartiers beidseits des Magdeburger Hafens als zentraler Bereich der HafenCity erfolgte auf Grundlage des Masterplans ein städtebaulicher Einladungswettbewerb, den wir mit der uns wohlwollenden Preisgerichtsbeurteilung gewannen: „Der Entwurf präsentiert eine städtebauliche Komposition, die nicht schematischen, sondern baukünstlerischen Prinzipien folgt. Für den Magdeburger Hafen wird ein Baukörperensemble vorgeschlagen, das Fantasien anregt, wie es auf die historische Nachbarschaft sensibel reagiert und wesentliche Orte einprägsam akzentuiert. Ein insgesamt brauchbares, harmonisches Konzept, das richtige Schwerpunkte setzt, zu architektonischen Ideen anregt und einen qualitativen Stadtraum nach baukünstlerischen Grundsätzen verspricht“.
Zusammen mit der Verwaltung entwickelten wir aus unserem Wettbewerbsbeitrag einen „Leitlinienplan als Vorgabe für ein Investoren-Auswahlverfahren, der alle relevanten städtebaulich-infrastrukturellen Aussagen wie Hochwasserschutz, Verkehr, Nutzungspositionierung und Mischung, Dichte etc. festlegte.
Der für die Realisierung ausgewählte Beitrag des Teams Erick van Egeraat hatte u.a. zum Ergebnis, dass das in unserem Entwurf parallel organisierte Raumgefüge des Überseequartiers westlich des Magdeburger Hafens nun durch eine polygonale Raum-Baustruktur mit diagonaler Wegführung (Überseeboulevard) vom St. Annen Platz zum Überseeplatz an der Elbe bestimmt wurde.
Als weitere Änderung wurde die für ein Kulturforum vorgesehene östliche Kaispitze zum Standort für die Hafenuniversität, da der zeitgleich von Herzog & de Meuron vorgelegte Entwurf der Elbphilharmonie auf dem Kallmorgen-Speicher entsprechende Kultureinrichtungen übernahm.
Hochbauwettbewerbe HafenCity Universität und Kaffeelager am St. Annen Platz 2006/2007
Die in der neuen Raumstruktur entstehenden Gebäudekomplexe wurden mehrheitlich über Hochbauwettbewerbe entschieden, bei denen man uns zu zwei Verfahren einlud. Da es sich um komplexe Realisierungsaufgaben handelte und uns bewusst war, dass wir für derartige Größenordnungen im Falle eines Gewinns kaum Chancen für eine Auftragsübernahme hatten, bildeten wir mit den befreundeten Frankfurter Architekten Dietz/Joppien jeweils Arbeitsgemeinschaften.
Eine der Wettbewerbsaufgaben galt der Hafen-City Universität (HCU), deren verunglückter Verlauf im Vorfeld der Preisgerichtsentscheidung bereits Zeitreise-Thema (Ausgabe 5/23) war und zu einem etwas merkwürdigen Ausgang führte. Es gab keinen ersten Preis, Code Unique, Dresden erhielt als 2. Preisträger den Realisierungsauftrag, unser Entwurf den 3. Preis, Jan Störmer einen Ankauf.
Der zweite Einladungswettbewerb hatte den Auftakt des Überseequartiers am St. Annen Platz zum Thema und war für unsere Arge mit dem
1. Preis, dem Realisierungsauftrag und folgender Entwurfsbeschreibung erfolgreich:
Am St. Annen Platz bildet ein Ensemble von drei skulpturalen, dichtgefügten Bausteinen den Auftakt des Überseequartiers, antwortet maßstäblich auf die Speicherstadt, öffnet sich über Baufugen und Einschnitte zu umgebenden Wasserflächen und Überseeboulevard und interpretiert das Thema Blockrandbebauung offener und räumlich differenzierter. In dieser Komposition markiert der konisch zugeschnittene, zeichenhafte Wohnturm den Eingang des Überseequartiers und verankert ihn fernwirksam in der Stadtsilhouette. Gemeinsame Basis der aufgehenden Baukörper ist ein Stadtpodest als gewerblich genutzte Sockelzone mit darüber liegenden Terrassenhöfen und Aufenthaltsbereichen für Bewohner und Anlieger.
Architektursprache und Materialität nehmen Bezug auf die gegenüberliegende Speicherstadt. In den zeitgemäß interpretierten Klinkerfassaden werden mehrere Geschosse zu großen Rahmenfeldern zusammengefasst, in denen sich feste und bewegliche Elemente als lebendige, veränderbare Collagenbilder darstellen.
Das Projekt wurde 2011 fertiggestellt und erhielt 2012 einen der Hamburger BDA-Preise.
Trojan + Trojan, Januar 2024
Verena und Klaus Trojan haben nach ihrem Studium an der Münchener und Darmstädter TU, einer Mitarbeit bei Behnisch und Partner sowie Selbstständigkeit in wechselnden Arbeitsgemeinschaften 1977 ihr eigenes Büro gegründet. Als Hoch- und Städtebauarchitekten firmierten sie mit Harald Neu und Joachim Wendt in Projektpartnerschaffen.
Klaus Trojan übernahm 1975 – 85 Lehraufträge an der TU Darmstadt und FH Würzburg und wurde 1993 als Professor für das Lehrgebiet Städtebau und Entwerfen an die Leibniz Universität Hannover berufen.
Verena Trojan war von 1986 – 94 Delegierte und Vorstandsmitglied in der Architekten-kammer Hessen. Beide sind Mitglieder im BDA und der DASL, Klaus Trojan in der Freien Akademie der Künste Hamburg. Auftragsgrundlage des Büros sind vorrangig gewonnene Wettbewerbe. Von den geplanten und realisierten Projekten wurden zahlreiche mit Architekturpreisen ausgezeichnet und in Einzel- wie Gruppenausstellungen, u.a. Biennale, Venedig, sowie Fachpresse und Jahrbüchern publiziert.