Im Jahr 1997 markiert das Katholische Krankenhaus St. Johann Nepomuk (wa-2001112) einen entscheidenden Wendepunkt. Nickl & Partner gewinnen den Wettbewerb für dieses Projekt, das in einer Zeit des Umbruchs in der Gesundheitsarchitektur nicht nur konventionelle Ansätze hinterfragt, sondern neue Standards setzt. Das Umfeld jener Zeit war von einer zunehmenden Urbanisierung geprägt, die Stadt wuchs, jedoch blieb sie in ihrer Unklarheit gefangen. Auch die Architektur strebte nach einer Integration, die weit über die rein utilitaristische Funktion hinausging: Krankenhäuser sollten sich zunehmend als Teil eines harmonischen Ganzen verstehen.
Der Entwurf von Nickl & Partner greift diese Haltung auf, indem er die Transformation der Krankenhauslandschaft mit einer Formensprache verbindet, die das Gebäude als integralen Bestandteil seiner Umgebung versteht und gleichzeitig den Menschen in den Mittelpunkt stellt. In diesem Sinne positioniert sich das Katholische Krankenhaus St. Johann Nepomuk als eigenständiges Quartier, das sowohl die urbane als auch die natürliche Umgebung einbezieht. Diese Vision entfaltet sich hinter dem Behandlungsgebäude in Form eines weitläufigen Gesundheitsparks, der von pavillonartigen Häusern umgeben ist. Der Park öffnet sich zum Holzer Graben und Willroder Forst, während die Ausläufer des Forstes die Straßenbahngleise überqueren, unter der erweiterten Straßenbahnbrücke hindurchlaufen und über Schöntal in die Stadt führen. Das Behandlungsgebäude steht dem ehemaligen Ermic-Gelände gegenüber und schirmt die Haarbergstraße vor unerwünschten Blicken ab. Es wirkt wie eine Barriere, die das Innere vor städtischem Lärm schützt, während sich dahinter der Gesundheitspark als Oase der Ruhe und Erholung öffnet, die Mensch und Natur vereint. So fügt sich das Krankenhaus harmonisch in die bestehende Umgebung ein, schafft Verbindungen und bietet zugleich Schutz und Rückzugsräume.
Der Übergang zur Landschaft erfolgt durch verschiedene Freiraumtypen. Ein steinerner Hof, der die Krankenhauskapelle beherbergt, bietet den Patienten des angrenzenden Psychiatrie-Trakts einen abgeschiedenen Rückzugsort. Zwei kleinere Gartenhöfe, eingerahmt von den Bettenhäusern der Palliativstation, schaffen weitere ruhige Oasen. Die Verbindung zur Natur wird besonders am Ausgang der zentralen Halle zum Park deutlich, wo Spaziergänge beginnen: Pflanzbeete säumen den Fußweg Richtung Holzer Graben und verschmelzen allmählich mit der umliegenden Landschaft. Der Park zieht sich bis ins Gebäude hinein, insbesondere im Bereich der Cafeteria, wo er nahtlos in den Innenraum übergeht.

1. Preis Nickl & Partner, München © Hans-Jürgen Grigoleit · Frank Hellwig, Kassel


Am tiefsten Punkt der Außenanlagen liegt ein kleiner See, der das Regenwasser von den Dachflächen aufnimmt. Eine schwebende Holzterrasse über der Wasserfläche dient dem Krankenhauspersonal als stiller Rückzugsort. Der blumenreiche Garten neben der Palliativstation bietet den Patienten Schutz und einen weiten Ausblick. Ein Abenteuerspielplatz am Holzer Graben lädt Kinder zum Spielen ein, während weitere Aufenthaltsbereiche die Eingänge des Parks umgeben.
Die 1990er-Jahre waren auch von einem technologischen Fortschritt geprägt, der neue Bauweisen und Materialien einführte, wie den Stahlbetonskelettbau und Glasfassaden, die sowohl ästhetische als auch funktionale Vorteile boten. Ein Blick in die zentrale Halle lässt uns die innovative Zeitreise dieses Projekts erahnen: Der „Anger“ als zentraler Verteiler wird zum pulsierenden Herzen des Krankenhauses – das Krankenhaus zum lebendigen Organismus. Hier verschmelzen Funktion und Emotion, Ankunft und Verweilen, Hektik und Ruhe. Läden, Cafés, Informationspunkte und die Kapelle erweitern den Raum und schaffen ein lebendiges, geschütztes Umfeld. Die Konstruktion und Materialwahl sind funktional und präzise aufeinander abgestimmt, was dem Gebäude seinen charakteristischen Ausdruck verleiht – im Einklang mit dem Ziel, für den Menschen zu bauen und eine stressminimierende Atmosphäre zu schaffen.
Ein zentrales Thema hierbei ist auch die Modularität, die in der Architektur von Nickl & Partner bis heute präsent ist. Das Krankenhaus tritt als „Haus aus Elementen“ auf, in dem Funktion und Ästhetik durch eine klare, flexible Struktur verschmelzen. Dies zeigt sich sowohl in der Bauweise als auch in den Erweiterungsmöglichkeiten, die dem Gebäude eine zukunftsfähige Anpassung erlauben – ein Gegenentwurf zur starren Megastruktur früherer Krankenhäuser. Die Erweiterbarkeit wird auf zwei Ebenen sichtbar: Auf der Mikroebene ermöglicht die Ausdehnung entlang der Verbindungsstege und in die Innenhöfe schrittweise Anpassungen, während auf der Makroebene erdgeschossige Pflegebereiche durch Untersuchungs- und Behandlungsräume ersetzt werden können. Diese Anpassung ist eine Antwort auf die Tendenz zu kürzeren Aufenthaltszeiten und bietet die Möglichkeit zur Erweiterung in Richtung Südwesten.
Das Katholische Krankenhaus St. Johann Nepomuk steht für eine neue Ära, in der Architektur nicht nur als Hülle für medizinische Funktionen dient, sondern als aktiver Bestandteil des Heilungsprozesses. Mit einem visionären und zutiefst menschlichen Ansatz gelingt es, das Krankenhaus als eine temporäre Lebenswelt zu konzipieren, die sich den Bedürfnissen der Patienten anpasst. Dieses Projekt ist nicht einfach ein Bauwerk, sondern eine wegweisende Antwort auf die Herausforderungen im Gesundheitswesen.

Nickl & Partner setzen mit ihrer „Healing Architecture“ einen neuen Standard, der weit über die Grenzen dieses Projekts hinausstrahlt. Der Entwurf bleibt ein kraftvolles Beispiel dafür, die Macht der Architektur zu nutzen und einen tiefgreifenden Einfluss auf die Gesellschaft und das Gesundheitswesen zu nehmen – eine Vision, die Nickl & Partner bis heute konsequent mit jedem neuen Projekt verfolgen.

Hilâl Kuşcu, Nickl & Partner Architekten, April 2025

Prof. Hans Nickl, Christine Nickl-Weller © Rainer Taepper

Nickl & Partner

Nickl & Partner, 1979 von Prof. Hans Nickl gegründet, ist ein international tätiges, familiengeführtes Architekturunternehmen mit Büros in München, Berlin, Beijing, Düsseldorf und Zürich. Mit über 200 Mitarbeitenden weltweit haben sie Projekte in 18 Ländern realisiert. Seit über vier Jahrzehnten gestalten sie eine Architektur, die das Wohlbefinden des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ihr Ansatz geht über die Planung von Krankenhäusern hinaus und umfasst auch Forschungseinrichtungen, Universitäten und weitere spezialisierte Strukturen. Sie verstehen Architektur als einen kreativen Prozess, der die Fähigkeit hat, Lebenswelten zu gestalten und den Menschen zu heilen. Diese Philosophie prägt ihre Arbeit und dient als Motor, immer wieder neue Lösungen zu finden, die den Anforderungen des modernen Lebens gerecht werden. Alles basiert auf der tiefen Überzeugung: Architektur hat die Macht, mehr zu bewirken als nur Räume zu schaffen – sie kann das Leben verändern und verbessern. In einer zunehmend komplexen Welt sollen innovative und nachhaltige Lösungen entwickelt werden, die den spezifischen Bedürfnissen von Menschen gerecht werden. Mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit und Modularität arbeiten Nickl & Partner an Projekten, die sowohl technologisch innovativ als auch zukunftsfähig sind und entwickeln flexible, skalierbare Lösungen, die nicht nur den aktuellen Bedürfnissen entsprechen, sondern auch anpassungsfähig für die Herausforderungen der Zukunft sind.

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