Der Wettbewerb für den Entwurf der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) war vor fast 30 Jahren 1996 in einer wichtigen Zeit des Übergangs von Haus-Rucker-Co zu Ortner & Ortner Baukunst. In dieser Zeit entstanden nahezu zeitgleich drei große europäische Kulturbauten – das Museumsquartier in Wien, das Schiffbau Theater- und Kulturzentrum des Schauspielhauses in Zürich und letztendlich die SLUB in Dresden.
Das zur Verfügung stehende Baugrundstück war früher ein Sportplatz umgeben von großen Winterlinden. Wir schrieben in unserem Erläuterungsbericht 1996 dazu:
„Der Bauplatz auf dem Sportplatz des TU Areals ist gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Geschlossenheit. Die dichte Baumreihe aus alten Winterlinden bildet eine umlaufende kompakte Wand, die im Rhythmus der Jahreszeit die Umgebung gleichsam ausblendet, ohne jedoch hermetisch abzuschließen. Eine eigenartige Form von Ruhe, auch eine gewisse Feierlichkeit stellt sich ein, die diesem Ort eine spezifische Aura verleiht. Verstärkt wird dieses Abgehobensein durch den Geländesockel, welcher den Bauplatz 4 Meter über den gewachsenen Boden hebt. Diese Aura zu bewahren und das neue Gebäude darin aufgehen zu lassen, ist Ziel des Entwurfes. ...
Das ganze Gebäude ist gleichsam eingelassen in den vorhandenen Erdsockel. Die Teile, die nun sichtbar über die Rasenfläche ragen oder darin eingeschnitten sind, stehen in streng minimierter Beziehung zueinander. ... Die Ebene der umgebenden Baumallee ist somit wieder freies Spielfeld.“
Die Absenkung der eigentlichen Bibliothek in den vorhandenen Erdwall erzeugte einen nicht sichtbaren massiven unterirdischen Baukörper, dessen Grundriss eher an eine Computerplatine erinnerte als an eine klassische Bibliothek. 1.000 Leseplätze waren unterzubringen. Wir haben als Zentrum der Platine einen klassischen zentralen Lesesaal vorgeschlagen. Ein großer unterirdischer Innenhof nahezu städtischen Ausmaßes, der nach all den zeitgenössischen Leselandschaften fast schon revolutionär erschien.

Sächsische Landesbibliothek Dresden | Querschnitt | Ortner & Ortner Baukunst, Berlin
Sächsische Landesbibliothek Dresden | Grundriss | Ortner & Ortner Baukunst, Berlin



Der Blick auf die Wettbewerbspläne offenbart auch, dass hier in erster Linie ein Konzept prämiert worden ist – eine nach wie vor mutig erscheinende Entscheidung der Jury. Die Architektur gemessen an heutigen Wettbewerbsarbeiten bleibt vage und wurde erst im Rahmen der weiteren Planung entwickelt. Es war eine Zeit, in der die Entwurfsphase nach dem Wettbewerbserfolg noch diesen Namen verdiente und nicht zu einem großen Teil der Ausgestaltung der bereits vorhandenen fotorealistischen Wettbewerbsbilder dient. Die Bibliothek erfreut sich seit ihrer Eröffnung 2002 als Wissens- und Arbeitsort in Dresden größter Beliebtheit. Mit einem Bestand von über 17 Mio. Medien gehört sie zu den vier größten Bibliotheken Deutschlands. Die Öffnungszeiten wurden bis 24 Uhr erweitert. Der Zugang musste aufgrund des enormen Andrangs zeitweise begrenzt werden.
Der Umgang mit den Medien hat sich in den letzten 20 Jahren hingegen deutlich verändert. Beim heutigen Flanieren durch die Bibliothek sind auf den Tischen die allgegenwärtigen Laptops zu sehen und immer weniger Bücher. Die mittlerweile ortlose Verfügbarkeit der Medien hat aber erstaunlicherweise die Bibliothek als gemeinschaftlichen Wissens- und Arbeitsort gestärkt. Die Abteilung audiovisueller Medien, die seit der Eröffnung noch über einen großen CD und DVD Freihandbereich verfügt, wurde von uns mittlerweile in eine neue Mediathek transformiert und konnte im Juli dieses Jahres eröffnet werden. Weitere Bereiche der Bibliothek werden folgen und das gemeinschaftliche Arbeiten innerhalb der Bibliothek weiter gestärkt.

Roland Duda, September 2024

Roland Duda | O&O Baukunst, Berlin/Wien

Roldand Duda

Roland Duda, geboren 1966 in Hildesheim, studierte Architektur an der TU Berlin.
Seit 1996 arbeitet er bei O&O Baukunst und wurde 2011 zum geschäftsführenden Gesellschafter ernannt.
Gemeinsam mit seinen Partnern Florian Matzker und Markus Penell führt er das Architekturbüro.
O&O Baukunst hat 50 Mitarbeiter*innen an den Standorten Berlin und Wien.