Domplatz Hamburg, eine innerstädtische Brachfläche, frei von Bebauung seit der Bombardierung 1943, Jahrzehnte als Parkplatz
genutzt und zuletzt 2005 Gegenstand eines internationalen Realisierungswettbewerbs. Auf den Wettbewerb folgte keine Bebauung, sondern eine Grünfläche mit Sitzmöbeln; ihre Anordnung soll an die Fundamente des Doms erinnern, dessen Grundsteinlegung im 11. Jahrhundert erfolgt ist und der hier stand, bis er – von den Hamburgern selbst – 1806 abgerissen wurde. Geblieben ist von dem Sakralbau nur der Name des Platzes, der den abends leuchtenden Sitzmöbeln aus Acryl hilft, auf das zu verweisen, was hier einst war.

Vom Johanneum, einer Gelehrtenschule, mit der der Domplatz von 1842 bis 1943 bebaut war, ist nichts geblieben – auch nicht von der Staatsbibliothek, die 1914 in das Gebäude einzog, nachdem das Johanneum nach Hamburg-Winterhude umgezogen war.
Um die ganze Dimension des Ortes zu erfassen, sei noch erwähnt, dass unter dem Domplatz auch die Keimzelle Hamburgs liegt, also jene Ringbefestigung, von der bei Ausgrabungen nach dem Wettbewerb (damals vorsorglich durchgeführt in Anbetracht einer baldigen Realisierung des Siegerentwurfs) Spuren gefunden wurden und die in karolingischen Quellen „Hammaburg“ genannt wird.

Vielleicht ist es diese Besonderheit gewesen in Verbindung mit der langen Zeit, die der Domplatz schon unbebaut war, die die Erwartungen an eine adäquate (Wieder-)Bebauung immer weiter haben steigen lassen, sodass nach einem Wettbewerb 1982 auch aus dem Wettbewerb von 2005 außer einem Vorentwurf letztendlich nichts hervorgegangen ist.

Das Nutzungskonzept von 2005 war anspruchsvoll und hätte – konsequent umgesetzt – diesen Erwartungen gerecht werden können. Auf historischer Fläche sollte ein öffentlicher Ort entstehen, der primär der Information und Kommunikation dient. Das Raumprogramm umfasste Wohnungen, das komplette Programm der Zentralbibliothek (die vom Hühnerposten zum Domplatz umziehen sollte), das Bürgerschaftsforum mit Abgeordnetenbüros, ein Archäologie-Zentrum, die Landeszentrale für politische Bildung mit einem Jugendinformationszentrum sowie Einzelhandels- und Gastronomieflächen. Gesucht wurde „eine Art inhaltliches Dreieck aus Wissen, Politik/Kommunikation und – nicht zu vergessen – Geschichte“.

Die in der Auslobung vorgegebene Realteilung des Wohnens vom übrigen Programm erschien nachvollziehbar. Dass alle öffentlichen Nutzungen zu Büros (Drittverwendung) umbaubar geplant werden sollten, verbunden mit der Prämisse, mindestens 26.000 qm BGF oberirdisch zu erreichen, war aber schon ein erster Hinweis, dass identitätsstiftende Architektur eigentlich andere Vorgaben braucht. Letztendlich war das Scheitern in der Konstellation des in den Nullerjahren so gepriesenen PPP-Modells schon angelegt: Privaten Investoren sollte ein städtisches Grundstück mit Bau- und Nutzungs
rechten verkauft werden. Dafür sollte vom Wettbewerb bis zur Fertigstellung ein Bauwerk entwickelt und errichtet werden, das zunächst für garantierte Mietzahlungen öffentliche Nutzungen beherbergt, um dann „später“ einer eher nicht öffentlichen Drittverwendung zugeführt zu werden.

Die öffentliche Diskussion nach der Entscheidung des Preisgerichts hat sich im oberflächlichen Segment der öffentlichen Meinungsbildung im Wesentlichen auf die übliche Stahl-Glas-Palast-Polemik, im etwas tiefer schürfenden auf eine Glas-versus-Backstein-Debatte beschränkt.

Auer Weber arbeiteten derweil in der Vorplanung und damit mitten im Dreiecksverhältnis aus Politik, Nutzern und privaten Investoren.
Im Rahmen der Vorplanung wurde eine – städtebaulich richtige – Verkleinerung der Kubatur erreicht, leider aber kein Einvernehmen über die Mietpreisvorstellungen, die in der Renditelogik der Investoren bedingt durch die reduzierte Fläche jetzt entsprechend höher als zunächst kalkuliert hätten sein sollen. Die Mehrheitsfraktion der Hamburger Bürgerschaft beschloss daraufhin, nicht zum Domplatz zu ziehen und entzog dem Projekt damit die Basis. „Aus wegen Kostenexplosion“ fassten die lokalen Medien diese Kettenreaktion zusammen, womit ein weiteres Klischee im öffentlichen Diskurs bedient und das Vorhaben gescheitert war.

Es blieb bei einem Freundschaftsspiel der europäischen Liga, bei dem es am Ende nichts zu gewinnen gab, nicht für die Beteiligten, nicht für die Freie und Hansestadt Hamburg und auch nicht für das Wettbewerbswesen insgesamt. So reiht sich dieser mit hohem Anspruch nach allen Regeln der GRW durchgeführte Wettbewerb in die Verfahren ein, über die am Ende einfach Gras wächst. Das immerhin hat auf dem Domplatz im wahrsten Sinne funktioniert und wird von vielen Menschen zumindest im Sommer auch gut angenommen – wie das oft so ist, beim kleinsten gemeinsamen Nenner.

Martin Klemp | Auer Weber Architekten, München

Martin Klemp | © Stefan Pielow

Martin Klemp

Dipl.-Ing. Architekt, geboren 1966 in Hildesheim.
Nach einer Ausbildung zum Zimmermann studierte er Architektur und Städtebau an der Universität Stuttgart und am IIT in Chicago.
Nach dem Diplom 1996 in Stuttgart arbeitete er 1996 bis 2000
bei Schürmann + Schürmann in Stuttgart.
Seit 2000 ist er Mitarbeiter im Büro Auer Weber in München und seit 2003 assoziiert.

Eine zeitreise mit Martin Klemp in wa 4/2021.