Die oftmals nur temporären Pavillons für Weltausstellungen zählen nach wie vor zu den bedeutendsten experimentellen Entwürfen des 20. und 21. Jahrhunderts und leisten nicht selten einen Beitrag zur Material- und Konstruktionsforschung. Ohne langfristig ihre Gebrauchsfähigkeit unter Beweis stellen zu müssen, sollen die Bauten mittels einer zukunftsweisenden Architektur den technologischen Fortschritt, aber vor allem die nationale Identität repräsentieren. Für die Weltausstellung 1992 in Sevilla hatte es die damalige Bundesregierung im Vorfeld der Planung allerdings versäumt, ein Konzept für das darzustellende Deutschlandbild auszugeben. So hieß es im Aufgabenprogramm, den Architekten wäre „genügend Freiraum für die architektonische Interpretation der Aufgabe gegeben“. Als Auslober erbat sie sich für den Pavillon lediglich „ein Beispiel für unser modernes heutiges Bauen“ und wünschte „eine Dominante, die dem Besucher ein nachhaltiges Aha-Erlebnis vermittelt“.

Der beschränkte Realisierungswettbewerb für den westdeutschen Pavillon fand zwischen Oktober 1989 und März 1990 statt – nahezu
parallel zum Prozess der Wiedervereinigung. Geladen waren zwölf Büros, aus denen unter dem Vorsitz von Roland Ostertag die Stuttgarter Architekten Auer + Weber als Sieger hervorgingen. Doch die Arbeiten der Preisträger an ihrem Entwurf wurden bereits wenige Monate später wieder gestoppt. Hatte die filigrane Konstruktion mit wassergefüllten Stahlträgern und schwenkbaren Sonnensegeln zunächst baukonstruktiv und atmosphärisch überzeugt, führte die ironisch akzentuierte Innenraumgestaltung der „Deutschlandschaft“ des Künstlers Albert Hien sowie eine massive Kostenüberschreitung zu nachträglicher Ablehnung.

Realisiert wurde schließlich ein längst vorhandener, ufo-artiger Entwurf des Starnberger Architekten Georg Lippsmeier, der gleichzeitig als Fachberater für Projekt und Wettbewerb engagiert worden war. Die Umstände dieses Planwechsels waren heftig umstritten, so wurde der Vorgang von der Fachzeitschrift Bauwelt als „krumme Tour“ und vom Berliner Tagesspiegel als „Skandal“ bezeichnet.

Pavillonbauten für Weltausstellungen sind nicht vorrangig Nutzobjekte, sondern stellen vielmehr Erlebniswelten dar, wie zwei Entwürfe der 2. Preisträger verdeutlichen. Der Beitrag von Axel Schultes in BJSS stellt eine räumlich-plastische Komposition unterschiedlicher Ausstellungsräume dar, in deren Mittelpunkt in einem runden Baukörper ein Baum inszeniert wurde. Das Preisgericht stellte hier jedoch die gewünschte Darstellung von Heiterkeit und Gelassenheit in Frage und bezeichnete die Ernsthaftigkeit des Entwurfs als zu elitär. Eine „fröhliche Grundhaltung“ sah man dagegen im Entwurf des Ateliers von Frei Otto gegeben. Unter einer filigranen Zeltdachkonstruktion aus einer mit Glasplatten bedeckten Gitterschalenkonstruktion befinden sich drei Ausstellungsebenen, die über Rampen zu erreichen sind. So sehr man den Erinnerungswert dieses Entwurfs schätzte, blieb für das Preisgericht hier die Frage, „ob nicht Konflikte entstehen zwischen dem äußeren Erscheinungsbild [...] und den ja nicht nur heiteren Themen, die im Innern dargestellt werden müssen“.

In der Gegenüberstellung beider so unterschiedlicher Entwürfe und den zugehörigen Äußerungen des Preisgerichts offenbart sich die Problematik der Identitätsfrage. Weltausstellungen bieten immer auch Gelegenheit für ein Land, sich durch die Architektur seines
Pavillons darzustellen, doch das „wie“ scheint zumindest auf architektonischer Ebene kaum zu beantworten zu sein. Bis heute ist in der Weltausstellungsarchitektur ein schleichender Verfall von Qualität, Aura und politischer Aussagekraft sichtbar geworden. Die EXPO in Sevilla war im Übrigen auch die erste und einzige, auf der die DDR mit einem eigenen Pavillon vertreten sein sollte. Der Entwurf des Ostberliner Architekten Achim Felz wurde jedoch nicht realisiert, da das Tempo der Wiedervereinigung die Planungen überrollte und somit das Projekt bereits im März 1990 gestoppt wurde und die DDR schließlich auf das Angebot einging, dem westdeutschen Pavillonprojekt beizutreten. Für den deutschen Beitrag wurde aber ganz offensichtlich die Möglichkeit eines gemeinsamen Entwurfs beider Landesteile versäumt. Dabei wäre ein derartiger Beitrag auf einer Weltausstellung direkt nach der Wiedervereinigung ein wichtiges und richtiges Signal gewesen und hätte sicherlich weltweit ein positives und nachhaltiges Aha-Erlebnis erzeugt.

zeitreise wa 5/2021

Dr. Alexandra Apfelbaum

Dr. Alexandra Apfelbaum | freiberufliche Kunst- und Architekturhistorikerin

Dr. Alexandra Apfelbaum ist seit 2009 als freiberufliche Kunst- und Architekturhistorikerin tätig. Seit 2018 hat sie die Vertretungsprofessur für Geschichte und Theorie von Architektur und Stadt an der Fachhochschule Dortmund inne.
Ihr Schwerpunkt sind Forschungen zu den Schnittstellen von Architektur und Kunst des 20. Jhs. mit Fokus auf NRW und der Nachkriegszeit. Sie ist Vorstandsvorsitzende der Initiative Ruhrmoderne.

Jüngere Publikationen:

JPK NRW. Der Architekt Josef Paul Kleihues in Nordrhein-Westfalen, hg. von Alexandra Apfelbaum, Silke Haps und Wolfgang Sonne, Dortmund 2019

Von Stahlschachteln und Bausystemen. Zum Umgang mit Stahlbauten der Nachkriegszeit, hg. von Alexandra Apfelbaum und Silke Haps, Dortmund 2019.