Eigentlich hatten wir uns schon lange gewünscht, die resultierenden Erfahrungen aus mehreren kleinen Bauten, einige auch mit Architekturpreisen prämiert, in ein größeres Gebäude einzubringen. „Dienstgebäude für die Wasser und Schifffahrtsdirektion in Magdeburg“ – das klang verlockend: Die Bekanntmachung der Aufgabe weckte unser Interesse. Durch die Lage inmitten eines Parks auf der Elbinsel, gegenüber von Dom und Liebfrauenkloster, verschwanden schließlich letzte Zweifel: Wir wollten uns beteiligen!
Der offene Wettbewerb erforderte damals nur einen Scheck über 150 DM und 14 Tage später gingen die Wettbewerbsunterlagen im Büro ein, ganz unbürokratisch!

Natürlich war der erste Gedanke ein Schiff. Aber es stellte sich schnell heraus, dass jedem Mitarbeiter unterschiedliche Vorstellungen von einem Schiff durch den Kopf gingen. So kamen wir also nicht weiter. Deshalb konzentrierten wir uns auf die Strukturen von Lastkähnen, wie sie auf Flüssen üblich sind. Dieser Typus zeichnet sich durch drei Bünde, ein mittiges Steuerhaus und eine Unterteilung durch Schotten in der Längsrichtung aus. Wir entwickelten aus dieser Analyse einen dreibündigen Grundriss. Der Mittelbund sollte nicht durchgehen und wurde abwechselnd durch Nebenräume und Lufträume unterteilt. Die Büros lagen peripher an den Außenseiten. Die außenliegenden Fluchtbalkone mit Reling dienten auch dem Sonnenschutz und verstärkten noch den Schiffscharakter. All dies in einem Baukörper, und dieser sollte so weit wie möglich zur Elbe rücken. Dadurch konnte er von der Altstadt aus gesehen und als eine eigenständige Architektur, in einer Reihe mit anderen Solitärbauten (Stadthalle, MDR, wa-2000841), erkannt werden.

Wasser- und Schifffahrtsdirektion Magdeburg | 1. Preis Kaag + Schwarz, Stuttgart

Die abstrakte Form als Schiff sollte auf die Nutzung durch die Schifffahrtsdirektion hinweisen. Die Transparenz der Fassade zeigt die Öffnung der Verwaltung zum Bürger. Durch die Aufständerung des Sockelgeschosses wurde obendrein eine Leichtigkeit, wie über dem Wasser schwebend, erreicht. Das energetische Konzept beruhte hauptsächlich auf natürlicher Lüftung. Ein begrüntes Dach und eine geringe überbaute Fläche bestimmten das ökologische und das nachhaltige Konzept. Das Preisgericht konnte unseren Gedanken folgen und zeichnete uns mit dem 1. Preis aus. Die Freude war natürlich sehr groß!

Die anschließende Wettbewerbsausstellung fand in einer Kaserne der russischen Armee statt, die wie gestern verlassen wirkte: Ich erinnere mich noch an abgenutzte alte Möbel, Graffiti, Staub, teilweise Abbruchreste und Verkrustungen, die den Rahmen dieser Ausstellung bildeten. Alle Zeichnungen und Modelle wirkten darin sauber, weiß und rein, nur durch die Umgebung.

Hier erfuhren wir auch, dass 184 Büros an dem Wettbewerb teilgenommen hatten!

Das oben bereits erwähnte energetische Konzept mit der natürlichen Lüftung hatte für das Projekt zwei Auswirkungen: Zum einen war es entscheidend für den Gewinn des Wettbewerbs gewesen, da nur wenige Arbeiten über ein energetisches Konzept verfügten; zum anderen wollte die technische Leitung der OFD das Gebäude allerdings unbedingt maschinell belüften. Bereits bei der ersten Besprechung hat man uns „unsere Ingenieure für die Belüftung“ vorgestellt. Es gab eine parallele Be-arbeitung zwischen unserem Ingenieur für Lüftung und der TU Dresden – und als letztendlich auch das Bundesbauministerium für eine natürliche Belüftung plädierte, war man bei der OFD zunächst ratlos. Doch da ergab sich für die OFD plötzlich eine neue Option: Alle Bundesbauten sollten, auf Veranlassung des damaligen Finanzministers Theo Waigel, um 25% verkleinert werden. Und das bereits bestehende Ernst-Thälmann-Gebäude hatte offenbar wohl die Größe, einen Neubau verzichtbar zu machen: Das stellte demnach das Ende des Projektes dar, das sich zu diesem Zeitpunkt in der Eingabeplanung befunden hatte. Auch bei dem Neuanfang/Überarbeitung etc. wur-den wir nicht mehr gefragt, und man verzichtete auf unsere Expertise.

Zum Schluss möchte ich mich nochmals für freie Wettbewerbe aussprechen. Dies beinhaltet die Möglichkeit für kleine und junge Büros, sich mit großen und/oder etablierten Büros zu messen, auch wenn das nicht den heutigen Wettbewerbsverfahren auf der Grundlage des europäischen Gedankens und den damit europaweiten Ausschreibungen entspricht. Man sollte bedenken, dass junge Büros meist nicht die vielfältigen geforderten Referenzen in allen Teilen erbringen können.

Rudolf Schwarz

1951 geboren in Leutershausen

1979 Diplom Architektur Universität Stuttgart, Prof. Hans Kammerer

1979 Mitarbeit im Büro Kammerer und Belz & Partner, Stuttgart

1979 - 1984 Mitarbeit im Büro Stirling und Partner Stuttgart/London

1984 - 1989 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Entwerfen und Baukonstruktion
TH Darmstadt, Prof. Walter Belz

1989 Gemeinsames Büro mit Werner Kaag

Seit 1995 Tätigkeit als Preisrichter