In Deutschland ist das Wettbewerbswesen der wesentliche Garant für qualitätvolle Architektur sowie zur Sicherung der Baukultur. Vergleichbar ist dies mit dem Wettbewerbswesen der nordischen Länder, der Schweiz und Österreich. Antrieb für uns als Architekten, sich an solchen Verfahren zu beteiligen, ist immer die Hoffnung, den besten Entwurf zu finden und den Planungsauftrag zu bekommen. Das deutsche Urheberrecht gibt uns dabei
die Sicherheit, dass nur der verfassende Architekt mit der weiteren Planung beauftragt wird. Immer mal wieder wird vertraglich versucht, das Urheberrecht auszuhebeln. Dabei sollte dieses sogar noch umfassender sein und alle Leistungsphasen einbeziehen. Nur mit der Beauftragung aller Leistungsphasen wird die wirkliche Absicht und Qualität eines Entwurfes in der späteren Ausführung erreicht. Das soll aber hier nicht Thema sein.

Wir alle möchten mit der Bearbeitung eines Wettbewerbs immer den 1. Preis erlangen. Doch bedeutet der 2. Preis immer Misserfolg? In jedem Fall hat man den 1. Preis knapp verpasst und das sollte immer, auch bei einem ganz erfolglosen Wettbewerbsausgang, zur genauen Analyse anregen. bietet hierzu mit seiner monatlichen Ausgabe die beste Grundlage.

Manchmal kann sich das Preisgericht jedoch nicht für einen 1. Preis entscheiden und vergibt nur einen 2., 3. usw. Preis, wie dies beim „Haus der Geschichte“ Bonn 1986 (wa-ID: 2000245) der Fall war. Eine solche Situation tritt auf, wenn das Preisgericht zur Findung der eindeutig besten Arbeit die Überarbeitung der nominierten Wettbewerbsentwürfe empfiehlt. Leider ist in diesem Falle eine solche Überarbeitung nicht erfolgt, der 3. Preisträger wurde direkt beauftragt. Meine Beschwerde bei Helmut Kohl, dass gerade beim „Haus der Geschichte“ mit seinem Fokus auf die Geschichte der Demokratie von 1945 bis in unsere Zeit die Auswahl des Entwurfs demokratisch durchgeführt werden müsste, blieb ohne Wirkung. Der damalige Bundeskanzler hatte meine Beschwerde an seinen Bauminister Schneider weitergereicht, der aber persönlich diese Entscheidung getroffen hatte.

Haus der Geschichte Bonn wa-ID: 2000245 · 2 Preis Werkgemeinschaft Prof. Gerber + Partner, Dortmund

Es kann auch vorkommen, dass statt eines 1. und eines 2. Preises erstmal zwei 2. Preise vergeben werden. Auch hier mit der Absicht, beide Entwürfe nochmals überarbeiten zu lassen. Als Vorsitzender Preisrichter des Wettbewerbs für das „Folkwang Museum“ Essen (wa-ID: 2009028) hatte ich so entschieden, was letzten Endes zu einem hervorragend ausgearbeiteten Wettbewerbsentwurf von David Chipperfield führte. Ähnlich verlief es bei unserem Projekt der „Stadthalle“ Hagen (wa-ID: 2034451), wo wir nach der Überarbeitung unseres zweiten Preises erfolgreich hervorgegangen sind. Hier ging es vor allen darum, dass unser Entwurf aufgrund der Sprengung großer Felsmassen kostenmäßig überarbeitet werden musste. Die teuren Sprengarbeiten haben wir von einem Steinbruchunternehmen für wenig Geld mit der Auflage durchführen lassen, das zum Teil sehr interessante Steinmaterial im Gelände zu belassen, wodurch dann die Idee eines Felsengartens entstand.

1. Preis (nach Überarbeitung) David Chipperfield Architects, London/Berlin

Beim „U-Turm“ in Dortmund (wa-ID: 2008641) endete der Wettbewerb sogar mit drei 2. Preisen und ohne 1. Preis. Auch hier wurde eine Überarbeitung empfohlen, die aber in der seit vielen Jahren neuen Form eines Verhandlungsverfahrens in Verbindung mit Entwurfsüberarbeitungen durchgeführt wurde. Da es hierbei auch um vieles andere wie z. B. das Honorar geht, erscheint mir diese Verfahrensart in unserem Wettbewerbswesen überflüssig. Im Fall des „U-Turms“ hatten wir wohl den Auftrag wegen unserer besonderen Idee der Kunstvertikale erhalten.

U-Turm Dortmund wa-ID: 2008641· 2. Preis Gerber Architekten, Dortmund

Auch beim Wettbewerb für die „Geo- und Umweltwissenschaften der LMU München“ (wa-ID: 2021605) erhielten wir nur den 2. Preis. Ein 1. Preis wurde ebenfalls vergeben. Aufgrund eines sich anschließenden Verhandlungsverfahrens, in dem eine Reihe Fragen zu unserem Entwurf geklärt werden mussten, erhielten wir letztendlich den Auftrag. Darüber wird der 1. Preisträger sicherlich enttäuscht gewesen sein. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Wettbewerben bin ich hier im Nachhinein der festen Überzeugung, dass unser aus dem Blockrandquartier entwickelter Entwurf die individuellere und innovativere Entwurfsidee war. Die Planung hierzu ist erfolgt, der Bau soll 2024 beginnen. Es passiert aber auch, dass ein 1. Preis, aber kein 2. Preis, dafür erst ein 3., 4. etc. vergeben wird. Das wird gerne gemacht, wenn der 1. Preis eine mit Abstand beste Lösung erzielt hat. Das verhilft dem Bauherrn am Ende zu schnellen, eindeutigen Entscheidungen bei der weiteren Planungsvergabe – es hilft aber auch bei den sich heute anschließenden Vergabe- und Verhandlungsverfahren, den 1. Preis im Hinblick auf seine Beauftragung stärker abzusichern. Uns widerfuhr diese „Auszeichnung“ z. B. bei der „Fachhochschule für angewandte Wissenschaften“ Würzburg-Schweinfurt (wa-ID: 2008088).

Wie diese Beispiele zeigen, treffen gute Preisgerichte Entscheidungen, die dem individuellen Wettbewerb gerecht werden. Für gestalterische und baukulturelle Qualität ist das Wettbewerbswesen alternativlos.

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Eckhard Gerber © Udo Hesse

Prof. Dipl.-Ing. Eckhard Gerber


1959 – 1966 Architekturstudium an der TH Braunschweig
1966 Bürogründung „Werkgemeinschaft 66“ – Grundlage hierfür waren gewonnene Wettbewerbe, an denen Gerber schon während seines Studiums gearbeitet hat seit 1979 Gründung von Gerber Architekten in Dortmund, später auch in Hamburg, Berlin, Münster, Riad, Shanghai
1981 – 1992 Professur an der Universität Essen
1990 – 2012 Professuren an der Bergischen Universität Wuppertal
2002 – 2009 Gestaltungsbeirat der Stadt Moers
2011 – 2014 Gestaltungsbeirat der Stadt Bielefeld
2017 Gastprofessur an der Harbin Institute of Technology und an der TU Dalian, China

Eckhard Gerber ist regelmäßig Juryvorsitzender bei nationalen und internationalen Wettbewerben, ausgezeichnet mit über 80 Architekturpreisen und über 450 Wettbewerbserfolgen.