Sie sind ja nicht nur ein sehr bedeutender Architekt, sondern zugleich auch ein unglaublich kreativer, international ausgezeichneter Designer. In Freiburg haben Sie das Volksbankareal (wa-2014347) entworfen, wo wunderbar abzulesen ist, wie grenzüberschreitend Sie arbeiten und wie wenig Sie sich in Ihrer Arbeit in ein starres Korsett von Fachdisziplinen zwängen lassen. Sprechen wir doch zunächst über die ungewöhnliche Fassade.
Von der städtebaulichen Situation waren Höhe und Breite der Volksbank vorgegeben. Wir haben da ein wenig spielerische Abwechslung reingebracht. Unsere erste Idee war, den Schwarzwald aufzugreifen. Die Lamellen an der Fassade sollten aus Holz sein. Um eine längere Haltbarkeit zu erreichen, wählten wir zwar schließlich Aluminium. Aber im Inneren haben wir dieselbe gestalterische Idee in Holz fortgesetzt: Das große Thema bei diesem Entwurf war der Schwarzwald.

Volksbankareal Freiburg | Hadi Teherani © Jochen Stüber

Das setzt sich ja dann auch im Innern fort, durch das Holz und die Verwendung von Ortszitaten...
Ja, wir haben alle Details entsprechend durchgearbeitet. Gerade der Bezug zu diesen kleinen Wassergräben, wie es sie in Freiburg gibt, hat uns gefallen. Das kenne ich sonst nur aus meiner Heimat Teheran. In Deutschland kennt man das sonst nicht. Wissen Sie, es geht im Grunde ja immer um den Genius Loci: Wenn ich ein Grundstück sehe, denke ich mir immer, der Entwurf ist schon da, du musst die versteckte Idee darin nur noch aufspüren! Das heißt eben, dass man alle Aspekte, die den Ort und das Grundstück betreffen, sammelt, um daraus eine Entwurfsidee zu formulieren. So gehen wir eigentlich fast immer vor.

Wenn ich ein Grundstück sehe, denke ich mir immer, der Entwurf ist schon da, du musst die versteckte Idee darin nur noch aufspüren!

Sie wurden für Ihr Werk mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Das ist sicher auch ein Punkt, an dem man mal innehalten und ein bisschen zurückblicken kann. Und daher die Frage: Was war bzw. ist für Ihr Schaffen besonders wichtig?
Für mich ist das Thema Corporate Identity von Anfang an sehr wichtig gewesen. Wir haben immer versucht, mit jedem Gebäude einen Bezug herzustellen. Zum Beispiel auf eine Marke, für die wir gebaut haben, oder auf eine Stadt, in der wir viele Stadtprojekte realisiert haben, die markant sind. In Hamburg etwa die Tanzenden Türme oder das Dockland. Das bedeutet: Die Marke Hamburg wird weiter illustriert und gefestigt, die Marke wird zur Stadtmarke und zum Stadtbild. Dieses ganze Markendenken hat mich schon ganz früh begleitet, und dadurch ist der Fokus auch nie auf die Architektur allein beschränkt gewesen, sondern auf ein übergreifendes ganzheitliches Erscheinungsbild. Letztlich bauen Architekten die Stadt, nicht nur ein einzelnes Gebäude. Deswegen haben wir uns dann auch getraut, als Designer zu arbeiten, für Produktdesign oder verschiedene Marken.

Anlässlich Ihres 70. Geburtstages am 2.2.2024 erschien bei Koehler Ihre Biografie. Darin beschreiben Sie u.a. auch, wie Sie als kleiner Junge davon geträumt haben, von Iran auf einem Esel nach Deutschland zu reiten...
Hatten Sie damals schon den Wunsch, Architekt zu werden oder Designer oder beides, oder wie hat sich das ergeben?

Nein, das hat sich erst später ergeben, weil ich nach dem Abitur erst angefangen hatte, Geschäfte zu machen, Dinge zu verkaufen, einzukaufen. Ich habe aber gemerkt, dass das nicht das Richtige für mich ist, weil ich keinen Beitrag leisten konnte, der in irgendeiner Form sichtbar wurde. Was mir fehlte, war dieser Schaffensdrang, der einen nicht mehr loslässt. Das war der Punkt, an dem ich mir dachte: Jetzt musst du studieren! Allerdings war mein Abiturzeugnis schlecht. Nur in Kunst hatte ich eine 1. Also habe ich gedacht: Es muss vielleicht was Künstlerisches sein. So habe ich mich für Werbegrafik und Architektur beworben und Zusagen für beides bekommen. Das Problem war nur: Jetzt musste ich mich entscheiden. In solchen Fällen überlasse ich gern dem Universum die Wahl. So hab ich damals einen Groschen in die Luft geworfen: Das war die Entscheidung für die Architektur!

Was für ein Glück!
Ja..., aber mit dem Glück ist es so eine Sache: Der glückliche Zufall allein genügt nicht, um wirklich weiterzukommen. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass man auch einen eigenen Anteil daran haben muss. Man muss den Aufbruch wollen: Das Glück muss provoziert werden und das Risiko angenommen werden, nur dann gewinnt man letztlich.

Was würden Sie gerne noch bauen oder designen?
Ich bin eigentlich schon sehr zufrieden mit dem, was wir bis jetzt erreicht haben. Wir haben schon so vieles realisiert. Der Maßstab spielt bei mir auch keine Rolle, von ganz kleinen Dingen bis zu sehr großen, von Manschettenknöpfen für Mont Blanc bis zur größten Universität in Abu Dhabi interessiert mich sehr vieles.
Es macht Spaß, in den unterschiedlichsten Maßstäben die richtige Lösung zu finden. Aber es gibt natürlich immer noch Träume, die ich gerne realisieren würde...
Tatsächlich würde ich gern noch ein, zwei öffentliche Gebäude bauen, weil für mich der Mensch immer ganz wichtig ist: der einzelne Mensch im Zusammenhang mit dem Gebäude, das Gebäude als Schauplatz des Lebens. Wir haben auch noch kein richtiges Museum gebaut. Das würde ich schon sehr gerne. Und ich habe hier in Hamburg noch einen Traum, den ich immer bauen wollte. Das Projekt wäre auch schon fast Realität geworden, aber es ist ganz kurz davor gescheitert: Ich hatte eine 700 Meter lange Brücke vorgeschlagen, eine Living Bridge. Eine urbane Brücke mit allen Reizen eines lebendigen Stadtviertels über dem Wasser der Elbe: Wohnen, Leben, Bummeln, Ausgehen, Einkaufen... Eine großartige moderne Ponte Vecchio für die Stadt Hamburg, die ja mit und auf dem Wasser lebt. Das wäre ein Sinnbild und Highlight ohnegleichen gewesen!

Living Bridge | Hadi Teherani © Gärtner + Christ, Hamburg
... weil für mich der Mensch immer ganz wichtig ist: der einzelne Mensch im Zusammenhang mit dem Gebäude, das Gebäude als Schauplatz des Lebens.

Sie haben verschiedene Kooperationen mit Herstellern: Wie kommt eine Zusammenarbeit für einen Türdrücker mit Hewi denn zustande? Geht man da aufeinander zu und man merkt dann, dass das Unternehmen ähnliche Ansätze hat wie das eigene Büro in Richtung Architektur, aber es gibt noch nicht das Produkt, das man gerne hätte?
Ja, wenn man eingestiegen ist ins Produktdesign, braucht man natürlich auch Aufgaben. Dafür sind wir oft auf Messen, und wenn man auf den Messen ist, lernt man sich kennen. Viele Hersteller wollen ja nicht nur das Produkt, sondern auch einen namhaften Designer dafür. Beispielsweise, um die Marke abzurunden oder zu sagen, dass sie mit diesen oder jenen Designern zusammenarbeiten. Im Zuge dessen werden wir auch oft angesprochen. Parallel dazu kommt es aber auch vor, dass wir interessante Firmen besuchen, um uns die Dinge anzusehen und ins Gespräch kommen. So funktioniert das mit dem Produktdesign. Was z.B. den Türdrücker betrifft: Da war es so, dass wir erst einmal die ganze Firma Hewi, die ganze Marke bis zur DNA analysieren, um erst dann ein Produkt für diese Firma zu entwerfen. Denn es ist ja nicht ein „Hadi-Teherani-Drücker“, den Hewi verkauft, sondern wir versuchen, im Sinne der DNA von Hewi zu entwerfen. Denn dafür werden wir in dem Moment bezahlt. Die eige-nen Ideen und Kräfte gründen auf der Entwicklungsgeschichte von Hewi. Wenn das gut passt, dann gehört es zur Handschrift der Marke.

Abschließend noch eine Frage zu Wettbewerben. Wenn z.B. jetzt ein Museum als Wettbewerb ausgeschrieben werden würde, nach welchen Kriterien entscheiden Sie dann, ob Sie mitmachen oder nicht?
Zu 90% würden wir uns immer beteiligen! Museum ist mir auch deshalb eingefallen, weil ich ja immer sehr transparent baue: Wohnhäuser, Bürohäuser, da braucht man viel Licht. Auf diesem Weg wird man schnell zum sogenannten Glasarchitekten, dabei geht es mir gar nicht um das Material, sondern um den Inhalt. Bei einem Museum hätte ich mal die Chance, kaum Fenster bauen zu müssen, höchstens von oben, ein bisschen Licht für die Bilder. Und dann könnte man natürlich auch ganz andere Gedanken nach vorne bringen, wie man beispielsweise kubisch, mit Naturstein oder anderen Materialien oder einer Kombination arbeitet, die künstlerischer ist. Aber bisher sind wir noch nicht eingeladen worden, da gibt es erfolgreichere Büros in dem Bereich.
Aber: Wir würden unsere Erfahrungen mit Licht und Material gerne mal einbringen, ja!

Hadi Teherani

1954 geboren in Teheran, Iran
1977 – 1984 Studium an der TU Braunschweig
1984 Diplom an der TU Braunschweig
1984 – 1987 Mitarbeit im Planungsbüro Professor Joachim Schürmann, Köln
1989 – 1991 Lehrtätigkeit an der TU Aachen Lehrstuhl Professor Volkwin Marg
seit 1990 selbständiger Architekt
1991 Gründung des Büros BRT Architekten Bothe Richter Teherani, Hamburg
seit 1993 internationale Workshops und Lehrtätigkeiten
seit 1999 Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg
2003 Gründung Hadi Teherani AG, Hamburg
2005 Gründung BRT Design Group FZ LLC, Dubai
2005 Beteiligung BRT RUS, Moskau
2009 Gründung CHT Cert Hadi Teherani, Abu Dhabi
2009 Gründung Hadi Teherani Consultants GmbH, Hamburg
2011 Gründung Hadi Teherani Architecture India Pvt. Ltd., Bangalore
2012 Gründung Hadi Teherani Holding GmbH, Hamburg
2016 Gründung Hadi Teherani, Teheran

Hadi Teherani –Architekt und Designer
Autor: Matthias Gretzschel
Flexibles Hardcover, deutsch
16,5 x 24 cm, 240 Seiten
Preis 24,95 €
ISBN 978-3-7822-1541-1
www.koehler-books.de
www.haditeherani.com