Das Beste an meinem Beruf ist …
… dass kein Tag derselbe ist! Der Beruf des Architekten ist politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich relevant, facettenreich und aktuell, wodurch wir uns ständig neuen Herausforderungen stellen müssen. In vielen Fällen ist dabei der Diskurs mit externen, auch branchenfremden Experten und Beratern notwendig und gewünscht, um zu den besten Lösungen zu kommen. Das hält uns auf Trab, geistig frisch und kreativ. Für mich bedeutet dies life-long-learning in optima forma!

Der wichtigste Rat für meine berufliche Karriere war der …
… kam von einem Kommilitonen während meines Austauschstudiums an der ETH Zürich: „work hard and have fun while doing it!“ Insbesondere während meines Semesters an der ETH habe ich erfahren dürfen, dass sich (zeit-)intensive, ernsthafte und hingebungsvolle Beschäftigung mit dem Studium kombinieren lässt mit einem reich gefüllten sozialen Leben.

Erst kürzlich entdeckt habe ich …
… die höchst disruptive Tragweite des Themas Künstliche Intelligenz. Die fantastischen Möglichkeiten, aber auch die immensen Gefahren, die diese technische Revolution in sich birgt, erfordern eine intensive moralische Auseinandersetzung mit dem Thema. Die unabwendbaren, rasanten Entwicklungen in diesem Bereich haben weit tiefgreifendere Folgen als beispielsweise den Verlust von Arbeitsplätzen, sondern stellen die Daseinsberechtigung des Menschen im Lichte einer dominanten Superintelligenz in Frage. Wie wir in der aktuellen Adoleszenz mit dieser Technik umgehen, wird die Weichen für die Zukunft unseres Daseins stellen. Ein beunruhigender Gedanke.

Gar nicht leiden kann ich …
… Hochmut und Überheblichkeit, die sich aus einer hierarchischen Position ableitet, ohne jedoch inhaltlich unterbaut zu sein.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass …
… wir intelligent genug sind, Lösungen zu formulieren für die prangenden ökologischen
und klimatologischen Probleme, denen wir uns gestellt sehen, und diese auch tatkräftig und kurzfristig in die Tat umsetzen.

Ich gebe mich gerne der Illusion hin, dass …
… unsere Arbeit gesellschaftlich relevant ist und wir als Architekten und Städtebauer inklusive, spannende und aufsehenerregende Räume schaffen, die Menschen glücklich machen, verwundern und zum Entdecken anregen.

Wenn ich zum Fenster an meinem Arbeitsplatz hinausschaue, sehe ich …
… Deutschland von oben, desolate und unattraktive Bahnhofsumgebungen, blühende Landschaften und hochversiegelte Innenstädte. Der Ausblick von meinem Schreibtisch im Rotterdamer Büro ist der belebte Innenhof unseres Gebäudekomplexes, der von allen Mietern bei gutem Wetter als Pausen- und Eventraum und von der angrenzenden Gastronomie alsTerrasse genutzt wird.

Last but not least:
Sie haben den Ideen- und Realisierungswettbewerb für den Innovation Park Artificial Intelligence (IPAI) in Heilbronn gewonnen (wa-2036063), den wir unseren Leser*innen in dieser Ausgabe vorstellen (S. 29-38). Ihr Entwurf, und das ist ein Alleinstellungsmerkmal, schlägt eine der einfachsten und zugleich komplexesten geometrischen Figuren vor: einen Kreis. Können Sie uns ein wenig mehr erzählen über die architektonische Idee dahinter?
... Im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte, innovative Unternehmen und Fördermittel konkurriert der Standort Heilbronn nicht nur mit Jülich, Heidelberg oder Tübingen sondern mit London, Redmond und San Francisco. Der Innovation Park AI in Heilbronn muss daher mehr sein als eine gut erschlossene Ansammlung effizienter Büro- und Laborgebäude, es braucht eine starke Marke mit hohem  Wiedererkennungswert. Bilder, die uns dabei in den Kopf kamen, waren z.B.: Stonehenge – Der Campus sollte eine ikonische Ausstrahlung haben, die etwas vom mythologischen Potenzial, welches die Künstlichen Intelligenz verspricht, widerspiegelt.
Zugleich soll es eine Umgebung sein, in der Innen- und Außenräume, Landschaft und Technik, Besucher und Nutzer integral und optimal miteinander vernetzt und verbunden sind. Im Gegensatz z.B. zum Apple-Campus darf IPAI kein hermetisch abgeschlossener Campus sein: Die Offenheit nach außen muss auch in seiner gebauten Form zum Ausdruck kommen. Die gebaute Umgebung muss städtebaulich ein stabiles Grundgerüst bieten mit der Möglichkeit kontinuierlicher Weiterentwicklung und Optimierung im architektonischen Maßstab, ohne am hohen Wiedererkennungswert und Identifikationspotenzial der ursprünglichen Struktur einzubüßen.
Wir haben uns im Hinblick auf die topografische Lage und eindrucksvolle Landschaft Steinäcker bewusst dazu entschlossen, eine neue Campus-Typologie zu entwerfen. Anstelle des typischen Ansatzes, die verschiedenen Gebäude um einen zentralen Grünraum herum zu organisieren, schlagen wir eine kompakte städtebauliche Form vor, die mit der umliegenden Landschaft kontrastiert und damit deren Qualitäten hervorhebt und verstärkt. Durch die relative Dichte der Bebauung schaffen wir es, die versiegelte Fläche um 40% gegenüber der im B-Plan festgesetzten GRZ zu reduzieren. Dies erlaubt es, das Mikroklima am Standort zu verbessern, Biodiversität zu stärken und Resilienz im Bezug auf Folgen des Klimawandels zu gewährleisten.

Sven Thorissen, MVRDV | © Otto Snoek

Sven Thorissen

* 1970 in Krefeld

Er studierte Architektur an der TU Braunschweig, der ETH Zürich und der Technischen Universität Delft und leitet heute  MVRDV’s DAS Studio, welches die Projekte im deutschsprachigen Raum bearbeitet.

Thorissen kehrte Anfang 2019 zu MVRDV zurück, nachdem er 12 Jahre lang als Konzeptentwickler für Proper Stok und als strategischer Berater für Raumentwicklung, Wirtschaft und Nachhaltigkeit für die Gemeinde Alphen aan den Rijn tätig war. Dieses breite Spektrum an Erfahrungen mit privaten und öffentlichen Institutionen in den Bereichen architektonisches Design, Projektentwicklung und Nachhaltigkeit bringt er in die Leitung seines Studios ein. Zu den Projekten, die von diesem Wissen profitieren, gehören u.a. Franklin Mannheim Andreas Quartier Berlin, Candidtor München, B8 Center Düsseldorf und EXPO Hannover sowie zahlreiche Projekte, die er zwischen 2000 und 2007 als Projektleiter für MVRDV realisiert hat.

Neben seiner Arbeit bei MVRDV ist er Gastkritiker an der Rotterdam Academy of Architecture, der ENSA Belleville, Paris, und der University of Applied Sciences in Leiden und trägt regelmäßig zu einer Reihe von Publikationen über integratives Stadtdesign, zukünftiges Wohnen, die Kreislaufwirtschaft und produktive Stadtlandschaften bei.